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In unserem heutigen Interview wollen wir einen ganz besonderen Gast aus dem illustren Kreis der Freunde von Clue Writing begrüssen. Die bekannte Schweizer Journalistin Bettina Hahnloser hat bereits zwei Biographien über schillernde Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft veröffentlicht, die wir euch in der Folge vorstellen möchten. Ihr Erstlingswerk, „Revolution beim schwarzen Kaffee“, erzählt die Lebensgeschichte von Hedy Hahnloser-Bühler, der Kunstsammlerin und Mäzenin, deren Namen bis heute unzertrennlich mit dem Museum „Villa Flora“ in Winterthur verbunden ist. Die Neuerscheinung „Der Uhrenpatron und das Ende einer Ära“ lässt uns in die Welt der Schweizer Uhrmacher zur Blütezeit der industrialisierten Gesellschaft eintauchen und die Geschichte eines umsichtigen Geschäftsmannes, seiner Firmen und der ganzen Branche entdecken.
Bettina ist studierte Nationalökonomin, hat sich jedoch nach ihrer Ausbildung dazu entschlossen, eine journalistische Karriere einzuschlagen. Sie war für zehn Jahre Redakteurin und Auslandskorrespondentin in Moskau bei der renommierten Berner Tageszeitung „Der Bund“. Danach arbeitete sie bei der schweizerischen Bundesverwaltung als Medienbeauftragte und absolvierte eine Ausbildung zur Mediatorin. Bettina lebt mit ihren beiden Töchtern in Bern.
Aus Gründen des Ethos möchten wir hier klar erwähnen, dass Bettina zu Sarahs näherem Bekanntenkreis gehört und sich zudem als Sponsorin an unserem Podcast beteiligt. Auch wenn wir deswegen keine Neutralität garantieren können, sind wir der Ansicht, dass Bettinas Werke eine Vorstellung im Clue Writing Interview mehr als nur verdient haben, weshalb wir sie euch nicht vorenthalten wollen.
Liebe Bettina,
wir werden uns auch über die Schweizer Uhrenindustrie unterhalten und so geht es in unserer Einstiegsfrage um die Zeit. Böse Zungen mögen gar behaupten, dass sich die Bevölkerung an der Antwort darauf in zwei Gruppen einteilen liesse: Wenn du, wie alle Schweizer, pünktlich zu einem Termin erscheinen willst, wirfst du dann einen Blick auf die Armbanduhr oder das Handy?
Tja, jetzt, wo du nachfragst: Tatsächlich greife ich vermehrt zum Handy, man muss schliesslich mit der Zeit gehen… Und das Handy ist zuverlässig (wenn’s geladen ist…). Aber da mir meine Uhr optisch gefällt, trage ich sie immer noch.
Deine Karriere ist bewegt und vielseitig. Vom Studium der Nationalökonomie über ein abenteuerliches Leben als Auslandskorrespondentin für die Zeitung „Der Bund“ in Moskau bis hin zur Ausbildung als Mediatorin hast du vieles erlebt. Hast du im Laufe deiner Arbeit viele Erfahrungen sammeln können, welche dir beim Verfassen deiner Biographien dienlich waren?
Gute Frage… Ja, vielleicht die Mediationsausbildung: Sie hat uns gelehrt, unvoreingenommen und allparteilich auf die Menschen zuzugehen und nicht zu werten – das ist sehr hilfreich beim Schreiben von Biografien! Von meinem Studium der Volkswirtschaft ist heute praktisch nichts mehr hängen geblieben – ausser vielleicht das Bewusstsein, dass wirtschaftliche Zusammenhänge unglaublich kompliziert sind und dass es keine einfachen Antworten gibt. Das hat mir die Kraft gegeben, beim „Uhrenpatron“ sehr gründlich und umfassend zu recherchieren!
Bereits zwei Bücher sind von dir im NZZ-Verlag erschienen, im Jahr 2008 „Revolution beim schwarzen Kaffee“ über das Leben und Schaffen der Kunstsammlerin Hedy Hahnloser-Bühler und neulich „Der Uhrenpatron und das Ende einer Ära“. Beides sind biographische Texte über für ihre Zeit und ihren Beruf wichtige Persönlichkeiten. Wie kamst du auf die Idee, Biographin zu werden?
Die Antwort ist sehr einfach: Da die beiden Protagonisten meine Vorfahren sind, sind wir im Besitz ihrer Archive, und diese sind sehr umfasssend und hochinteressant. Ich mit meiner Journalistenseele hatte dann die Idee, die beiden Archive auszuwerten. Es ging also nicht primär darum, die beiden Protagonisten vor dem allgemeinen Vergessen zu bewahren, sondern ihre Archive auszubeuten.
Du bist sowohl die Enkelin des Uhrenpatrons Rudolf Schild-Comtesse als auch die Urenkelin der Kunstsammlerin und Mäzenin Hedy Hahnloser-Bühler. Würdest du behaupten, beide Bücher sind Teil einer Hahnloser-Familien-Saga?
Siehe vorangehende Antwort – ich wollte keine Saga verfassen, ich hätte mit gleicher Verve geschrieben, wenn die beiden nicht mit mir verwandt gewesen wären.
Die Nachforschungen für deine Bücher beinhalten alles, von Gesprächen mit Zeitzeugen über das Stöbern in Archiven bis hin zu zeitgenössischen Zeitungsbeiträgen. Gab es hierbei etwas, das besonders hervorstach, eine wahre Goldgrube an Information darstellte?
Das Bundesarchiv erwies sich als wahre Goldgrube. Ich habe selten eine spannendere Arbeit geleistet als in diesen Archiven zu stöbern. Es war wie Puzzle machen: Je mehr Dokumente, desto klarer wurde das Bild der Geschichte der Uhrenindustrie. Bundesdokumente werden erst nach 30 Jahren öffentlich zugänglich – ich war damit wahrscheinlich die erste, die gewisse Jahre aufarbeitete.
Recherche ist minutiöse Arbeit und erfordert nicht zuletzt ein Auge fürs Detail. Doch nicht minder schwierig ist es, alles zu sichten, zu werten und zu sortieren – wie behältst du bei derart vielen Information, Daten und Fakten den Überblick?
Genau das ist das Problem! Ich bin leider sehr unsystematisch und musste lernen, konzeptuell vorzugehen. Das geht gegen meine etwas chaotische Natur – und so ist wohl vieles, was ich in den Jahren recherchierte, im Schlund des Orkus verschwunden…
Als Zeitungsjournalistin musstet du verglichen mit einem Buch kürzere Beiträge verfassen. War es eine grosse Umgewöhnung, sich an lange Texte zu setzen oder würdest du sagen, dass die Arbeitsweise quasi dieselbe ist, wenn man Biographien verfasst?
In einem Buch muss man den Dingen viel mehr auf den Grund gehen – man nimmt sich dafür ja auch Zeit. Umgekehrt kann man sich in einem Zeitungsartikel nicht so sehr auf die Äste herauslassen, sondern muss sich auf das beschränken, was absolut gesichert ist – ausser natürlich bei einem Kommentar, da gilt die eigene Meinung. Diese gilt es andererseits, in einem Buch zu sublimieren: es geht hier nicht um mich und meine Ansichten, sondern um das, was stattgefunden hat.
In „Der Uhrenpatron und das Ende einer Ära“ erzählst du einerseits die Lebensgeschichte von Rudolf Schild-Comtesse und seinen Firmen „Eta“ und „Eterna“, andererseits bietest du jedoch auch einen guten Einblick in die Geschichte der Schweizer Uhrenindustrie. Was ist dein Zugang zur Welt der Chronometer?
Naja, der Zugang ist gering, abgesehen von den Kindheitserinnerungen, als wir mit dem Grossvater die Fabriken besuchten. Aber ich bin kein Uhrenfan, und ich habe viel Zeit damit verbracht, den Mechanismus einer Uhr auch nur in Ansätzen begreifen zu wollen. Hingegen habe ich heute Freude daran, Antiquitätenmärkte nach alten Eternas durchzustöbern!
Du beschreibst Rudolf Schild-Comtesse als schillernde Figur, der Patron, welcher ein gutes Gespür für seine Firma und den Markt hatte, ein harter und unnachgiebiger Verhandlungspartner war und zugleich ehrliches Interesse an seinen Mitarbeitern zeigte. Doch wie hast du den legendären Geschäftsmann eigentlich persönlich erlebt?
Eher distanziert und sehr beherrscht – ausser damals, als er mir eine Ohrfeige verabreichte, weil ich am Tisch allzu lange am Ärmel meiner Grossmutter zupfte, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Über Gefühle redete man einfach nicht – obwohl ihm die Gefühle aus allen Poren trieften. Das ist ja oft so bei Männern. Aber die Gefühlswelten sind bekanntlich unterschiedlich: Meiner Cousine zum Beispiel gab die Anwesenheit des Grossvaters immer das Gefühl, beschützt zu sein – er war schliesslich ein grosser und massiger Mann.
Wie bereits erwähnt, stand der Uhrenpatron an der Spitze von zwei Firmen, der „Eta“ und der „Eterna“. Wieso war die Produktion von Uhren und Rohwerken eigentlich aufgeteilt und nicht unter einem Dach vereint
Uff, die Antwort ist kompliziert – aber vereinfacht gesagt, ist es die Produktionsweise der Uhr: Die Herstellung von Uhrwerken konnte rationalisiert und automatisiert werden in Fabriken, die Herstellung der ganzen Uhr aber lange Zeit nicht. In den 1930er Jahren wurde diese Trennung staatlich sanktioniert. Es gab aber – und gibt sie noch heute – sogenannte Manufakturen, wo die Produktion der ganzen Uhr unter einem Dach vereint ist.
Grenchen, eine kleine Stadt am Jurasüdfuss, ist durch die Ansiedelung der Uhrenindustrie zu grosser Bekanntheit gelangt. Wie kam es zu dieser Innovation, welche der zuvor eher armen Region den erhoffen Aufschwung brachte?
Mitte der 1850er Jahren verliessen viele junge Leute das arme Grenchen, um anderswo Arbeit zu suchen. Da beschloss der Gemeinderat, die Uhrenindustrie zu fördern, und eröffnete eine Lehrwerkstätte. Dann ging alles sehr schnell: Zwei Familien – Schild und Girard – wagten den Sprung und richteten Fabriken ein. Und damit wurde der Silikon-Valley-Effet in Gang gesetzt: Andere Grenchner sahen, dass sich mit der Uhrenindustrie viel Geld verdienen liess, und eröffneten weitere Fabriken.
Die wirtschaftliche Landschaft der Uhrenhersteller in der Schweiz war in ihrer Blütezeit derart verworren und zugleich von staatlich sanktionierter Kartellbildung geprägt, dass du in deinem Buch ein Diagramm einfügen musstest, um etwas Ordnung in das Wirrwarr zu bringen. Wie kam es zu dieser durch den Bund regulierten Planwirtschaft?
Nun, das Diagramm hilft auch nicht viel weiter im Verständnis, nicht wahr… Es ging darum, zu verhindern, dass die Produzenten von Uhrwerken ihre Produkte ins Ausland exportierten. Denn damit, so befürchtete man, würde die ausländische Konkurrenz von Fertiguhrenfabrikanten gestärkt. Also war es das Schreckgespenst Abwanderung ins Ausland, was immer ein Thema war und noch heute ist in der Schweizer Wirtschaftspolitik. Banken und Fertiguhrenproduzenten zwangen damals den Bundesrat, einzugreifen.
Die Geschichte der Schweizer Uhrenhersteller ist bewegt und von Hochs und Tiefs gezeichnet. In den 1970er-Jahren war nicht gewiss, ob dieser ganze durch staatliche Kontrolle geschwächte Industriezweig endgültig untergehen würde und Rudolf Schild-Comtesse verliess aus Protest den Verwaltungsrat seiner Firma. Du bezeichnest den Uhrenpatron als „Mahner in der Wüste“, der die Vorzeichen der Krise schon lange zuvor erkannt hatte – wie gelang ihm das?
Das ist eine gute Frage! Schild-Comtesse sah vieles voraus, das zeigen die Dokumente und das hat mich schwer beeindruckt. Aber letztlich war seine Macht beschränkt, er war nur ein Rädchen im Ganzen – allerdings ein gewichtiges. Aber irgendwann hatten die Holdingbosse das Sagen und nicht mehr die Uhrenfabrikanten unter dem Holdingdach, und ab dann (also ab ca. 1970) ging es nur noch bergab…
Auch heute finden sich viele Uhrenhersteller in der Schweiz, insbesondere in der Gegend des Jurasüdfusses, man könnte also sagen, dass die Tradition weiterlebt. Es gibt aber ein Name, der in diesem Luxussegment aus dem Raster fällt und grosse Bekanntheit geniesst: Swatch. Würdest du sagen, dass auch das Billigsegment dieses Marktes noch eng mit der Tradition verbunden ist?
Kommt draufan, mit welcher Tradition? Die Swatch war 1980 eine Innovation, welche die Schweiz dringend brauchte, um in das Billigsegment einzudringen, das die Amis und Japan besetzt hielten. Aber Analysten warnen heute: Die Tage der Swatch sind gezählt – in 10 Jahren will niemand mehr eine billige Quarzuhr haben, sondern eine Smartwatch. Die teuren mechanischen Uhren, die eigentlichen Traditionsprodukte der Schweiz, werden aber überleben. Sagt man.
Nach der Recherche für dein Werk kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass du dich zu einer Expertin zur Geschichte der Schweizer Uhrenindustrie gemausert hast. Deshalb bietet es sich an, dich etwas zum Erzählen einzuladen: Wieso ist die Schweiz gerade für ihre Uhren derart bekannt geworden?
Naja – Expertin wäre zuviel gesagt! Die Geschichte der Uhrenindustrie begann schon im 16. Jahrhundert in Genf und hatte auch mit dem rigiden Regime von Calvin zu tun: Er verbat sich Schmuck, und so kauften die Leute Uhren, die sehr kunstvoll verarbeitet wurden, als Ersatz von Schmuck. Dann siedelten sich die Uhrmacher im Jura an und brachten es dort zu hoher Fertigkeit. So zog das eine das andere nach sich, und die Uhrenindustrie entwickelte sich zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig.
Verlassen wir die Welt der Zeitmesser und schlagen wir noch einmal dein erstes Buch auf. In „Revolution beim schwarzen Kaffee“ erzählst du die Geschichte der Kunstsammlerin und Mäzenin Hedy Hahnloser-Bühler. Was machte sie zur Revolutionärin beim schwarzen Kaffee und wie hat sie die Kunstszene geprägt?
Sie war eine bürgerliche Frau – aber eine mit Mut: Sie liess sich von einem Freund für die Postimpressionisten in Paris begeistern und begann mit dem Aufbau einer grossen Sammlung. Sie und ihr Mann Arthur entwickelten geradezu eine Besessenheit beim Sammeln, denn Sammeln ist bekanntlich eine Sucht – aber es ging nicht darum, die Werke zu besitzen, sondern die Maler zu fördern und andere Schweizer Bürger für ihr Werk zu interessieren. Sie war damit auch Kunstvermittlerin, Missionarin. Die Maler, die auch ihre Freunde wurden, waren damals noch umstritten, und es brauchte Mut, für sie einzustehen. Hedy Hahnloser wurde denn auch immer wieder angefeindet – vor allem mit dem Vorwurf, antischweizerisch zu sammeln!
Biographien haben, wenn sie nicht das Leben von Filmstars oder bekannten Politikern erzählen, eine vergleichsweise kleine Zielgruppe auf dem Literaturmarkt. Mit welchen Argumenten möchtest du unsere Leser, von denen sich die meisten eher Unterhaltungsliteratur gewöhnt sind, davon überzeugen, deine Bücher zu bestellen?
Oh, ich will niemanden dazu zwingen! Aber ich habe versucht, flüssig und mit vielen Zitaten zu schreiben, dass der Text gut lesbar ist. Und anhand von Biografien versteht man vielleicht dann auch die Gegenwart ein bisschen besser. Und in gewisser Hinsicht können solche Biografien dazu anstiften, nach dem Vorbild der Protagonisten eigene Projekte an die Hand zu nehmen – zum Beispiel Galerien zu besuchen, sich mit Kunts auseinanderzusetzen und vielleicht mal ein Werk zu kaufen!
Deine Texte sind flüssig, unterhaltsam und mit Sinn für Humor verfasst, ohne dass jedoch die Fakten und Information zu kurz kommen. Ist das ein Erzählstil, den du dir erst für das Schreiben von Büchern aneignen musstest oder hast du bereits zuvor ähnliche Texte veröffentlicht?
Ich habe immer Freude, einen Text zu lesen, der Wissen in einer Weise vermittelt, die nicht akademisch und kompliziert ist, sondern gewissermassen lustvoll und „menschlich“. Schliesslich machen Menschen die Geschichte, und ich habe stets das Bedürfnis, dieses Menschliche sichtbar zu machen und nicht abgehoben irgendwelche akademischen Erkenntnisse zum Besten zu geben. Texte über Kunst oder Kunstgeschichte können extrem langweilig und nichtssagend sein – ich habe selten Freude an kunstgeschichtlichen Erörterungen – hingegen interessieren mich Biografien über Künstler – wie sie gelebt haben und was sie dachten, und meist stellt sich heraus, dass sie weniger dachten als das, was Kunstgeschichtsprofessoren dann später in ihr Werk hineininterpretieren…
Zwei Bücher stehen schon auf dem Regal, doch wie jeder Sprichwort-Liebhaber behaupten würde, sind aller guten Dinge drei. Die grosse Frage ist jetzt natürlich, ob du bereits ein hochgeheimes Projekt in petto hast oder ob zuvor ein wohlverdienter Urlaub ganz ohne Schreiben ansteht?
Da ich das Recherchieren und das Schreiben liebe – obwohl es meist harte, einsame und krass unterbezahlte Arbeit ist -, kann mir nichts Besseres geschehen, als ein neues Buch zu schreiben! Archive habe ich aber keine mehr in der Familie, so muss ich wohl warten, bis ein Thema an mich herangetragen wird! Wüsstest du grad von einem spannenden Thema?…
Zu guter Letzt wollen wir der schalkhaften Seite unserer Neugier nachgeben und dir die allerwichtigste Frage stellen: Wenn jemand deine Biographie verfassen wird, was wird er oder sie ohne Wenn und Aber erzählen müssen?
Oh, very tricky, diese Frage… Ich hoffe, man wird sagen, dass ich eine gute Mutter war und dass ich mir stets Mühe gegeben habe, ein guter Mensch zu sein… Was auch immer unter einem „guten Menschen“ zu verstehen ist! Aber hélas, allzu oft gelingt es nicht – so könnte man in der Biografie anfügen: Sie hat gelernt, mit der eigenen Beschränktheit und Unvollkommenheit zu leben! Danke fürs Interview – spannende Fragen!
Wir möchten uns herzlich bei Bettina bedanken, dass sie sich unseren neugierigen Fragen gestellt hat. Wir hoffen, dass wir mit dieser Vorstellung von „Der Uhrenpatron und das Ende einer Ära“ einige unserer Leser neugierig auf die Geschichte von Rudolf Schild-Comtesse und der Grenchener Uhrenindustrie gemacht haben. Es lohnt sich, die Zeit zu nehmen, den flüssigen und lehrreichen Text zu lesen und in die Vergangenheit der Branche einzutauchen, welche die Schweiz wie kaum eine andere geprägt hat. Nicht nur versteht Bettina es, so zu schreiben, dass auch sachliche Themen höchst unterhaltsam und für den Laien spannend präsentiert werden, sie schafft es zugleich auch, dem Leser eine hohe Dichte an Details näherzubringen. Ihre journalistische Erfahrung und die minutiöse Recherche lassen sich im Text erkennen und machen Freude an der Lektüre.
Besucht Bettina auch auf ihrer Seite: Bettina Hahnloser beim NZZ-Verlag
Foto von Bettina: Alessandro della Valle
Vielen lieben Dank an Bettina und an unsere werten Leser
Eure Clue Writer
Rahel und Sarah
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Dieses Interview wurde von Sarah geführt.
Wohnhaft in Hamburg, habe ich 2015 die Ausstellung der Gemälde aus der Villa Flora, Winterthur in der Hamburger Kunsthalle gesehen und war beeindruckt von der engagierten Sammlertätigkeit des Ehepaars Hahnloser-Bühler und von deren außergewöhnlichem Gespür für die damals (erstes Drittel des 20. Jahrhunderts) innovative, überwiegend französische Malerei und ihrem künstlerischen und auch ästhetischen Anspruch bei ihrer Auswahl.
Gerade habe ich Bettina Hahnlosers biographisches Werk über ihre Urgroßmutter Hedy Hahnloser gelesen. Nach Betrachtung der Ausstellung ist es eine fabelhafte Ergänzung der gewonnenen Seheindrücke: Der Leser erfährt im Detail, wie Frau Hahnloser an die Malerei der Post-Impressionisten herangegangen ist, wie wichtig ihr dabei der Zugang zur Persönlichkeit der Künstler war. Sie war offenbar bestrebt, die durch Farbe, Form und Komposition ausgedrückten Empfindungen der jeweiligen Maler bezüglich ihres Sujets zu erfassen und auf ihre Echtheit zu prüfen. Eben daran maß sie künstlerisches Vermögen. Es beeindruckt, dass Hedy Hahnloser nicht nur Sammlerin war, sondern dass die Kunstobjekte für sie durch ihre intensive Auseinandersetzung mit ihnen zu Vertrauten werden, die sie gern um sich hat.
Es ist Bettina Hahnloser m.E. wunderbar gelungen, diesen besonderen Zugang der Kunstsammlerin zu den Kunstgegenständen herauszuarbeiten. Sie stellt sie zudem als eine in ihrer Zeit herausragende Frauengestalt dar, die in der von Männern dominierten Kunstszene als Kennerin und Intellektuelle einen prominenten Platz einnahm. Ebenfalls interessant, dass sie ihre Urgroßmutter zugleich als eine „Frau der damaligen Zeit“ präsentiert; sie zeigt auch die Zwänge denen sie unterlag, so z.B. in ihren Vorstellungen von der Ausbildung der Tochter Lisa, für die ein ganz anderer Werdegang als für den Sohn Hans vorgesehen war. Gleichermaßen nachdenklich stimmen Hedys Entscheidungen über die Aufteilung des Nachlasses; auch hier ist – wie damals üblich – der männliche Erbe vorrangig.
Bettina Hahnloser beschränkt sich keineswegs nur auf Biographisches; sie eröffnet zugleich auch interessante kunsthistorische und gesellschaftspolitische Einblicke.
Die Lektüre des Buches ist ein Gewinn!
Ursula Frühling-Lehmann, Hamburg