Werte Clue Reader,
wir beginnen das neue Jahr kriminell gut, im heutigen CW-Interview dürfen wir den Zürcher Krimiautor Roger Graf vorstellen. Insbesondere in der Schweiz wurde er bekannt durch seine Krimi-Hörspielreihe „Die haarsträubenden Fälle des Philip Maloney“, die jeweils am Sonntagvormittag über den öffentlich-rechtlichen Radiosender SRF 3 ausgestrahlt werden. Doch Roger Graf ist nicht nur der Schöpfer eines Radioprogramms mit Kultstatus, denn von ihm sind bisher neun Kriminalromane erschienen. Sein neustes Buch, „Der schöne Tod“, ist der vierte Band aus einer Reihe um den Ermittler Damian Stauffer und sein Team.
Obwohl Roger Graf ein Faible fürs Düstere und Abgründe hat, verlieren seine Geschichten nie die notwendige Prise an trockenem Humor. Diese Mischung, gespickt mit Dialogen, die den Leser mit menschlichen Eigenheiten und anderen Absurditäten zum Schmunzeln bringen, fesselt und lässt der Aufklärung des Falls entgegenfiebern. So unterhalten sich die Ermittler in „Der schöne Tod“ unter anderem über das anarchistische Potential von wildem Kampieren und die Polizistin Anna Herold kriegt von einem mysteriösen jungen Mann zu hören, dass es immer gut sei, Elektriker oder Polizisten in der Nachbarschaft zu haben.
Roger Grafs Werke werden regelmässig von der Presse gelobt und er hat im Laufe der Zeit eine treue Leserschaft gewonnen, sodass er zu den bekannten Schweizer Autoren zählt.
Hallo Roger,
bevor wir uns in die Materie stürzen und deinen Fall aufrollen, beginnen wir doch mit einer Literatur-fremden Frage: Die Biographie auf deiner Seite und manche deiner Tweets lassen erahnen, dass du dich für Fussball begeisterst. War dem schon immer so?
In meinen ersten 6 Lebensjahren war mir Fussball egal. Danach aber nicht mehr. Kicken mit anderen und die ersten Spiele im Stadion. Danach gab es kein zurück mehr. Und es hat den grossen Vorteil, dass dadurch auch das ödeste Fernsehprogramm erträglich wird. Fussball geht immer.
Nach deiner Ausbildung zum Sportartikelverkäufer hast du wie viele Schriftsteller mit Publikationen in Literaturzeitschriften angefangen. Jedoch bist du danach zu Beginn vor allem durch das Radio bekannt geworden. Wie kam das?
Neben Gedichten und Kurzgeschichten war ich auch als Filmkritiker tätig. Damit habe ich die ersten Franken als Autor verdient. Radio kam eher zufällig. Oder auch nicht. Ich schrieb mit 20 mein erstes Hörspiel. Als ich Mitte 20 war, suchten sie einen Redaktor für Wort-Unterhaltung. Sketche, Spiele, Nonsense. Ich hatte das Glück, dass sie jemand suchten, der jung, wild und ein wenig verrückt war. Sonst hätte ich diesen Job nie gekriegt.
Philip Maloney ermittelt auf Radio SRF 3 nun schon seit fünfundzwanzig Jahren und hat längst Kultstatus erlangt. Man könnte die Hörspiele etwas plakativ als Mischung aus den klassischen „Hard-Boiled“-Detektivgeschichten und einer Krimikomödie bezeichnen. Was ist das Erfolgsrezept der Serie, die über dreihundert Folgen zählt?
Es ist eine Mischung aus Krimi und Sitcom. Die Hauptfiguren entwickeln sich kaum weiter, die Nebenfiguren sorgen für Aktualität. Ich denke, es ist eine fast perfekte Mischung zweier Genres. Dazu kommen die guten Darsteller, der perfekte Sendeplatz und ein Autor, der sich 25 Jahre lang nicht dreinreden liess.
Wenn eine Serie derart lange ausgestrahlt wird, macht sie eine Entwicklung durch. Was waren für dich die grössten Veränderungen, welche „Die haarsträubenden Fälle des Philip Maloney“ im Laufe der Jahre geprägt haben?
Das waren eher technische Entwicklungen. Anfangs produzierten wir noch analog auf Tonband. Heute ist alles digital, was den grossen Vorteil hat, dass ich die Hörspiele auf meinem Computer abmischen kann und dem Radio ein fertiges Produkt liefere. Inhaltlich spielte die rasante technische Entwicklung natürlich auch eine Rolle. Die Hauptfiguren aber haben sich kaum verändert. Bei einer solch langlebigen Serie gibt es aber immer das Grundproblem, dass die Figuren kaum oder langsamer altern, als die Schauspieler und der Autor. Das fliesst dann aber eher in die Dialoge ein und weniger in die Figurenzeichnung.
Es sollte aber nicht bei den Hörspielen bleiben und so sind mittlerweile bereits neun Kriminalromane von dir erschienen, zwei mit der Figur des Marco Biondi und die vier jüngsten mit dem Ermittlerteam um Damian Stauffer. Würdest du sagen, dass du ein Faible für Fortsetzungen hast?
Das Krimigenre hat schon immer von Serien gelebt. Mich hat das auch als Leser fasziniert. Wie man Figuren über mehrere Bücher aufbauen und weiter entwickeln kann. So entsteht ein eigenes Universum.
Bei der Lektüre deiner Stauffer-Bücher fällt auf, dass die Figuren im Verlauf der vier Bände eine Entwicklung durchmachen und dabei auch wieder an ihre Vergangenheit zurückdenken. Hast du schon bis zum Ende geplant, was in Stauffers Team noch alles vorfallen wird oder entstehen diese Ideen Buch für Buch?
Es gibt Handlungsstränge, die baue ich über mehrere Bücher auf, anderes geschieht spontan. Es ist auch vorgekommen, dass ich eine Entwicklung gestoppt habe, weil ich erkannte, dass es entweder zu früh ist, oder nicht mehr zur Figur passt. Ich lasse den Figuren einen sehr grossen Spielraum und arbeite nicht mit festgefügten Biographien. Es ist ja auch so, wenn man mit jemandem zusammenarbeitet. Man kennt nicht die ganze Biographie, nur Ausschnitte.
Verglichen mit den Maloney-Geschichten sind deine anderen Romane um einiges ernster. Wie klingt das Echo aus deinen Fanreihen? Findest du, dass dein Name noch immer mehr mit Maloney in Verbindung gebracht wird? Wie stehst du dazu?
Dadurch das Maloney in erster Linie als Hörspielserie bekannt wurde, spricht sie ein anderes Publikum an, als eine Serie, die in Buchform erscheint. Maloney ist längst ein Markenartikel. Die Buchserie ist noch nicht so weit, aber ich arbeite daran.
Obwohl deine Geschichten inhaltlich teils sehr unterschiedlich sind, würdest du sagen, dass sie gemeinsame Elemente haben oder dass es einen Roten Faden gibt, der sich durch dein Gesamtwerk zieht?
Die gibt es sicherlich, weil es Themen gibt, die mich interessieren und die ich immer wieder in Geschichten und Figuren verpacke.
Falls du befürchtet haben solltest, dass wir uns ganz stereotyp erkundigen werden, wie man Schriftsteller wird, hast du Glück gehabt – wie werden dich verschonen. Doch eine beinahe ebenso gängige Frage erlauben wir uns mit einem kleinen Augenzwinkern trotzdem: Wieso gerade Krimis?
Ich habe als Kind gerne Spannungsliteratur gelesen. Abenteuergeschichten, Sciene-Fiction, Krimis. Auch im Fernsehen habe ich mir als Jugendlicher sehr gerne Krimis und Thriller angeschaut. Da kriegt man unbewusst schon einiges mit, was einen guten Krimi ausmacht. Lesen ist ein guter Weg, um Spannungsdramaturgie zu verstehen.
Polizeiarbeit ist verhältnismässig klar strukturiert und man gewinnt bei der Lektüre von Stauffers Fällen den Eindruck, dass du eine Ahnung davon hast, wie Ermittler vorgehen dürfen und welchen Regeln sie folgen müssen. Wie gehst du bei den Recherchen vor?
Auch hier kommt mir natürlich entgegen, dass ich aus Krimis und Doku-Filmen in etwa weiss, wie Polizeiarbeit funktioniert. Ich erhebe allerdings nie den Anspruch, dass meine Romane die Realität bis ins Detail abbilden. Es gibt dieses Ermittlungsteam nur in meinen Romanen und da dürfen sie auch ein wenig anders funktionieren als reale Ermittler.
Als Krimiautor muss man gut darin werden, Morde zu planen und sie aufzuklären. Der Täter muss gewitzt genug sein, um den Leser Spannung zu bieten, aber auch Fehler machen, ein Detail ausser Acht lassen, damit die Ermittler ihn letztendlich stellen können. Aber jetzt mal ganz im Vertrauen: Hast du einen Plan für den perfekten Mord?
Ich finde den perfekten Mord langweilig. Weil er entweder ziemlich banal ist oder dann wie eine Schachpartie funktioniert. In meinen Büchern geht es um emotionale Motive, um verzweifelte oder kranke Menschen, die aus Rache, Gier, Liebe, Lust oder Hass töten.
In deinem neusten Buch, „Der schöne Tod“, ermitteln Stauffer und seine Kollegen aus der „Stube 3“ nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Holland. Wie recherchierst du die Orte, an denen deine Geschichten spielen und gehst du dabei in deiner angestammten Umgebung anders vor als im Ausland?
Die Gegend in Holland kenne ich aus zwei früheren Reisen. Da genügte die Erinnerung und Google Earth, um mich wieder kundig zu machen. Aber auch hier gilt, dass ich keine Stadtpläne oder Landkarten beschreibe. Ich versuche emotionale Landschaften zu erschaffen, die nicht hundertprozentig mit der Realität übereinstimmen.
Die Schweiz ist kein grosses Land und Zürich, wo die meisten „deiner Verbrechen“ verübt werden, wird häufig als die kleinste Metropole der Welt bezeichnet. Inwiefern wirkt sich das Lokalkolorit deiner Werke positiv, aber auch negativ auf die Grösse und Treue deines Zielpublikums aus?
Im deutschsprachigen Raum hat sich mit den „Regio-Krimis“ ein neues Genre entwickelt. In diesen Krimis ist der Lokalkolorit meist wichtiger als der Plot, die Figuren, die Dialoge oder der Schreibstil. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Qualität dieser Krimis. Neben einigen wenigen originellen und gut geschriebenen Büchern, findet man da eine Menge Schrott. In meinen Romanen spielt der Lokalkolorit eine untergeordnete Rolle. Die Krimis spielen in Zürich und Umgebung, aber das ist nicht die Hauptsache.
Die bekannten Krimiautoren in der Region lassen sich gut an zwei Händen, vielleicht gar einer Hand abzählen. Findet innerhalb dieser Szene ein reger Austausch statt oder sind die Schriftsteller in der Krimiszene eher Eigenbrötler?
Es gibt Krimi-Stammtische und auch einen Austausch auf sozialen Netzwerken. Ich halte mich da eher zurück, weil das meinem naturell entspricht. Ich war schon immer ein Einzelgänger, der mit einzelnen Menschen besser umgehen kann, als mit Gruppen.
Dass die Feder mächtiger als das Schwert sein soll, ist ein allgemein bekanntes Sprichwort und in deinem Fall ist sie durchaus eine überdurchschnittlich effiziente Tatwaffe. Hast du je mit- oder nachgezählt, wie viele Mordopfer deine Feder bereits gefordert hat?
Nein und es mir auch nicht wichtig. Die Morde dienen in den Romanen der Dramaturgie und in den Hörspielen der Unterhaltung.
Du bist auch auf Sozialen Netzwerken aktiv, vor allem Facebook und Twitter, wo du dich auch auf humorvolle Art zum Alltagsgeschehen äusserst. Wie erlebst du den Umgang mit deiner Leserschaft und haben deine Kommentare manchmal auch hitzige Diskussionen zur Folge?
Als Privatperson nutze ich die sozialen Netzwerke wenig, weil ich sie in verschiedener Hinsicht für problematisch halte. Die Menschen offenbaren sich in einer Art und Weise, wie sie das sonst im öffentlichen Raum nie tun würden. Zudem verstärken soziale Netzwerke festgefahrene Vorurteile eher, als dass sie zum Diskurs führen, weil man unter seinesgleichen täglich darin bestärkt wird „recht zu haben“. Als Schriftsteller bin ich automatisch auch eine Person des öffentlichen Interesses. In den sozialen Medien äussere ich meine Meinung, aber ich veräussere nicht meine Person.
„Der schöne Tod“ ist sowohl als gebundenes Buch als auch als E-Book erschienen. Hat sich in deiner persönlichen Erfahrung die Arbeit als Schriftsteller mit dem Aufkommen des E-Books verändert, und wenn ja, wie?
Die Verträge sind vor allem komplizierter geworden. Haupt- und Nebenrechte sind nicht mehr so gut zu trennen. Andererseits wird mit den E-Books auch ein neues Publikum erreicht.
Ganz direkt: Wieso sollten unsere Leser „Der schöne Tod“ oder, noch besser, alle deine Romane in ihre Bibliothek aufnehmen?
Wer gute Kriminalromane mag, sollte in einige meiner Bücher reinlesen. Mehr erwarte ich gar nicht. Die Texte sollen für sich sprechen. Und wenn sie gefallen, ist es natürlich schön, wenn die Werke auch gekauft werden.
Hast du bereits konkrete literarische Zukunftspläne, die du verraten möchtest, und vor allem, wann können wir mit dem nächsten grossen Mordfall rechnen?
Vorgesehen ist Stauffers fünfter Fall für 2016. Inhaltlich verrate ich nie etwas im voraus.
Bevor wir das Verhör beenden und die Fallakte schliessen: Möchtest du deiner Aussage noch irgendwas hinzufügen?
Ich bekenne mich unschuldig.
Wir von Clue Writing möchten uns herzlich bei Roger Graf für seine Zeit und Antworten bedanken. Wie seine Leser hoffen wir, dass das Morden so schnell kein Ende nehmen wird und er uns im Laufe der nächsten Jahre noch viele frische Leichen bescheren wird.
All jenen, die gerne Krimis lesen oder sich das letzte Vierteljahrhundert über für die haarsträubenden Fälle des Philip Maloney begeistern konnten, können wir die Lektüre von Stauffers viertem Fall, „der schöne Tod“, wärmstens empfehlen. Roger Graf entführt seine Leser in eine Welt, die im Stil an einen modernen Film Noire erinnert und lässt einen die Tatorte, sofern man sie aus dem eigenen Alltag kennt, mit anderen Augen entdecken. Er schafft es, mit kurzen und prägnanten Sätzen das Gewöhnliche ungewohnt erscheinen zu lassen, ohne dabei seinen charakteristischen Humor zu verlieren.
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Vielen lieben Dank an Roger und an unsere werten Leser
Eure Clue Writer
Rahel und Sarah
Bildquellen:
Portrait: rogergraf.ch / Copyright Kurt Meier & Tudor
Der schöne Tod: Scan von Umschlag / Vidalverlag
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Dieses Interview wurde von Sarah geführt.
Hat dies auf Wunderwaldverlag rebloggt.