Inside Clue Writing | Der Literaturwettbewerb

Werte Clue Reader,

sofern ihr das letzte halbe Jahr nicht unter einer flauschigen Decke verschlafen habt, ist euch bestimmt aufgefallen, dass wir mit unserem Literaturwettbewerb zum munteren Mitmachen aufgerufen haben. Ihr wisst schon, weil wir mit all den Kurzgeschichten, Podcast-Episoden, Interviews und Gastautoren noch nicht ausgelastet genug waren. Nein, Quatsch, der erste Clue Writing Schreibwettbewerb war weit mehr als blosse Beschäftigungstherapie für uns, schliesslich ist es uns ein Anliegen, das wohl grandiotastischste (sowie grössenwahnsinnigste) Literaturprojekt der Geschichte mit möglichst vielen enthusiastischen Schreiberlingen teilen zu können. Und was würde sich dazu besser eigenen als ein Schreibwettbewerb? Da ihr uns bereits kennt, wisst ihr, dass wir euch nicht nur mit stolzgeschwellter Brust die Resultate unseres Werkelns zeigen, sondern euch auch in das Gute, das Schlechte und das Hässliche hinter den Kulissen einweihen wollen. Also, schnallt euch an und erfahrt Wie, Was, Wo, Warum, einfach alles rund um den ersten Clue Writing Literaturwettbewerb.

Angefangen hat alles im Frühling des letzten Jahres. Wir Clue Writer haben selbst etwas Erfahrung mit Schreibwettbewerben gesammelt und einige davon sogar erfolgreich absolviert. Da schien uns die Idee, selbst einen zu veranstalten, gar nicht so abwegig, immerhin gab sie uns eine Gelegenheit, Clue Writing mit mehr Autoren und Autorinnen teilen zu können und sie dabei vielleicht sogar für unser Projekt begeistern zu können. Also besprachen wir diesen Geistesblitz bei einer unserer Redaktionssitzungen, selbstverständlich mit der obligatorisch absurden Menge Kaffee – dieser hochkoffeinierte Zustand hat dann wohl auch dazu beigetragen, dass wir uns mit extra grosser Begeisterung und ohne langes Hin und Her gleich ans Werk machten.

Zu Beginn eines jeden unserer Unterfangen steht die Planung und das war beim Schreibwettbewerb nun nicht anders: Emsig haben wir an den Wettbewerbsbedingungen gefeilt, alles notiert und schlussendlich eine Ausschreibung aufgesetzt, die nach gefühlten hundert Überarbeitungen am 3. Mai 2015 bei uns und auf anderen Portalen publiziert wurde. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie übermässig selbstzufrieden wir damit waren! Denn wo manche Wettbewerbsveranstalter lediglich einige wenige Informationen hinterlassen, haben wir uns darum bemüht, den Schreiberlingen die Teilnahme so angenehm wie möglich zu gestalten und sie vor allem über alle Rahmenbedingungen aufzuklären. Ob es daran oder aber an der Gestaltungsfreiheit lag, dass so viele interessierte und motivierte Schreiberlinge zu uns gefunden haben, wissen wir allerdings nicht. Während wir auf die ersten Einsendungen warteten, haben wir uns vorgenommen, unseren Wettbewerb nicht bloss in einer klaren und informativen Ausschreibung vorbildlich zu präsentieren, sondern ebenso das folgende Auswahlprozedere transparent und objektiv zu gestalten. Also haben wir uns sofort zusammengetan und einen detaillierten Bewertungsbogen erstellt, der uns bei den Auswertungen der Kurzgeschichten eine grosse Hilfe werden sollte.

Kurz darauf ging es dann los, die ersten Beiträge trudelten in unserem Posteingang ein. Zuerst tröpfelte der literarische Fluss gemächlich dahin, dann wurde die Strömung etwas stärker und gegen Ende der Wettbewerbszeit drohten wir in der Flut der Einsendungen unterzugehen. Nur gut, dass wir uns im Vorfeld vorbereitet hatten – ob Empfangsbestätigung oder Anonymisierungs-Vorgehen, alles was wir brauchten, um uns ordentlich bei den Teilnehmern zu bedanken und ihre Texte inkognito abzuspeichern war bereit für den Einsatz.

Es kam der gefürchtete Stichtag. Am 31. August 2015 war Schluss mit Lustig, pardon, der Einsendeschluss unseres Wettbewerbs und wir begriffen zum ersten Mal so richtig und vollumfänglich, was für ein Biest wir da geweckt hatten. Hocherfreut und dennoch gehörig perplex starrten wir auf einen Ordner voller anonym nummerierter Dateien, um die wir uns nun zu kümmern hatten. Zugegeben, bevor wir loslegten, gönnten wir uns einen Ruhetag, um die Tatsache verarbeiten zu können, dass weit mehr Leute mitgemacht haben, als wir uns zu träumen wagten – und um Lesekraft zu tanken.

i-008 - DateiübersichtMit einem Stapel Bewertungsbögen und einer Übersichtsliste bewaffnet, machten wir uns an das Auswahlverfahren und schon bald erkannten wir den wahren Wert unserer Vorarbeit. Auch wenn wir grössenwahnsinnig genug sind, Witze über unsere literarische Unfehlbarkeit zu reissen, so ist der Anblick von derart vielen unterschiedlichen Texten dann doch etwas einschüchternd. Uns war und ist noch immer bewusst, wie viel Arbeit und Mühe in die Einsendungen geflossen ist und wir wollten diese auf jeden Fall gebührend würdigen. Um das nach unserem besten Wissen und Gewissen tun zu können, haben wir uns bei der Bewertung auf die vorher festgelegten Kriterien gestützt, damit wir eben nicht nur nach unserem persönlichen Gusto entscheiden, sondern jedem Teilnehmer, jedem Genre und jeder Geschichte dieselbe Chance zukommen lassen konnten.
Die einzigen Teilnehmer, denen diese Chance leider verwehrt bleiben musste, waren diejenigen, die unsere Vorgaben zum Textumfang deutlich über- oder unterschritten hatten. Obwohl wir bedauerten, diese Texte so mir nichts dir nichts auszusortieren, hielten wir es für angebracht, unsere Aufmerksamkeit vorwiegend denjenigen Teilnehmern zu widmen, die sich bemüht haben, unsere Ausschreibung genau anzusehen.

i-008 - Vorgaben, Auszug

Es dauerte lange, länger als ihr gehofft und wir befürchtet haben. Obwohl wir mit Nina etwas Unterstützung erhalten haben, nahm das Lesen und Bewerten der zahlreichen Einsendungen weit mehr Zeit in Anspruch, als zu Beginn gedacht. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass jede Kurzgeschichte von mindestens zwei Jurymitgliedern hatte bearbeitet werden müssen, sodass wir am Ende eine faire und vielschichtige Bewertung abgeben konnten. Dazu gehörte unter anderem auch, dass wir die Namen der jeweiligen Autoren stets erst nach der Bewertung einsahen, also niemals wussten, aus welcher Feder ein Text stammte, ehe die Punkte vergeben waren.
Im besten aller Fälle sah ein ausgefüllter Bewertungsbogen folgendermassen aus:

i-008 - Bewertungsbogen

Dann waren alle Texte gelesen und es fehlte nur noch die grosse Schlussauswertung, bevor wir die werten Teilnehmer endlich von der Anspannung befreien und die Gewinner bekanntgeben konnten. Während dem Lesen haben wir fortlaufend unsere Liste mit Informationen gefüttert und so war es ein Klacks herauszufinden, welche Kurzgeschichten die meisten Punkte ergattern konnten.

i-008 - Auswertungsliste, vollständig

Einfach blieb es trotzdem nicht, denn nun standen wir vor der undankbaren Aufgabe, zu bestimmen, wer es noch in die Anthologie schafft und wem wir leider absagen müssen. Zum Glück war Rahel wegen einer Lesung des Vidal-Verlags bei Sarah in Zürich auf Besuch, so konnte die Diskussionsrunde mit Kaffee, Kissen und Radio Swiss Jazz beginnen.
Am Ende eines sehr, sehr langen Abends standen die Gewinner schliesslich fest, ebenso war klar, dass wir unseren Spezial-Preis, die Aufnahme in den Clue Cast, nicht nur an drei, sondern gleich fünf Autoren vergeben wollten – wir konnten uns schlichtweg nicht entscheiden, so einfach ist das.

Literaturwettbewerb 2015 - Gewinner

Am 6. Dezember 2015 war es dann soweit, wir haben die Gewinner sowie all jene, die dieses Mal noch nicht auf dem Siegertreppchen dabei waren via Mail über den Ausgang unseres Literaturwettbewerbs in Kenntnis gesetzt. Selbstverständlich mit einem gebührend grossen Dankeschön und ganz vielen Informationen zu unserer kommenden, gemeinsamen Publikation.

i-008 - Verdankungsmail

„Wunderbar“, dachten wir uns, „jetzt können wir die Feiertage geniessen.“ Nun ja, das konnten wir durchaus, allerdings stand da noch ein kleiner Posten auf unserer To-Do-Liste, namens „Lektorat und Korrektorat“. Also verbrachten wir die letzten Wochen des Jahres 2015 mit Plätzchen, Raketen und dem Rotstift. Wieder wurde jeder Text von uns beiden unter die Lupe genommen und während wir fleissig Tipp- und Schreibfehler korrigiert, unnötige Wortwiederholungen lektoriert und den damals noch schneelosen Winter genossen haben, kam der schicksalshafte 15. Januar immer näher.

i-008 - Lektorat, sample

Nun sind wir mit unserer Erzählung in der Gegenwart angekommen – man mag es kaum glauben, so knapp wie hurtig sich dieses Abenteuer erzählen liess. Die lektorieren Fassungen sind Mitte Januar an die werten Autorinnen und Autoren unserer kommenden Anthologie versandt worden, sodass sich die Damen und Herren Literaten nochmal ans Werk machen konnten. Wie erwartet enttäuschten sie uns nicht: Fleissig haben sie mitkorrigiert, Autorenverträge unterzeichnet und uns mit Fragen, Wünschen und megalotastisch netten Worten den Alltag versüsst.

i-008 - Feedback

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragt ihr euch vielleicht. Während es für uns von Clue Writing jetzt in die nächste Runde geht, dürfen sich die Schreiberlinge endlich vom ganzen Wettbewerbsstress erholen. Wir arbeiten unterdessen eifrig am finalen Korrektorat, layouten das E-Book, illustrieren das Cover und bereiten die von unseren Sprechern eingelesenen Audio-Kurzgeschichten vor, die mit der Anthologie zusammen veröffentlicht werden sollen. All das sparen wir uns für ein späteres Inside Clue Writing, wenn wir euch verraten, wie wir ein E-Book kreieren, das unseren Lesern hoffentlich viel Freude, Unterhaltung und Literaturspass bringt.

Anthologie Cover

Bevor wir uns für heute verabschieden, wollen wir unsere persönlichen Eindrücke mit euch teilen, die wir während dem Lesen, Bewerten und den darauffolgenden Redaktionsgesprächen gesammelt haben. Das Wort „persönlich“ verrät euch vielleicht schon, dass wir unsere traute Zweisamkeit als SaRahel-Konglomerat hier aufbrechen und als Sarah und Rahel weitermachen. Damit das einigermassen übersichtlich bleibt, folgt ein kleines Pseudo-Interview.

Wieso wolltest du einen Schreibwettbewerb veranstalten?

Sarah: Vermutlich, weil wir nichts Besseres zu tun hatten! Nein, im Ernst, liebe Clue-Freunde, so genau weiss ich das gar nicht mehr – und dabei liegt es doch erst ein Jahr zurück. Wie so ziemlich alles, was bei Clue Writing ausgeheckt wird, muss es jedoch auch da abgelaufen sein, frei nach dem Motto: „Hey, wie kommen wir am besten zur Weltherrschaft?“ Aber Rahel wird euch sicher eine vernünftige Antwort geben können, denn das kann sie immer!
Rahel: Für mich steckten dahinter zwei Überlegungen. Zum einen sah ich im Literaturwettbewerb eine Möglichkeit, Autoren eine kleine Plattform anzubieten, andererseits wollte ich sie damit auch für unser Projekt begeistern. Schlussendlich läuft auch hier alles auf einen spontanen Einfall beim gemütlichen Kaffee hinaus. So wie beinahe alles, was wir machen, irgendwann mit einer Blitzidee und der „Ach, was soll’s. Komm, wir machen mal!“-Einstellung angefangen hat. Na, vernünftig genug oder müsste ich meine Ernsthaftigkeit mit einem Monokel unterstreichen?

Glaubst du, ihr wart gut vorbereitet?

Sarah: Wir von Clue Writing sind immer (und auf alles) gut vorbereitet. Oder sagen wir lieber: Wir geben unser Bestes. Natürlich merkt man hier und da noch Verbesserungspotential, wenn man etwas zum ersten Mal tut, aber ohne angeben zu wollen, wir sind echte Planungsgenies. Rahels Können hat uns hier sehr viel geholfen, denn der megalotastische Auswertungsbogen ist vor allem ihr zu verdanken.
Rahel: Ja. Ich denke, wir waren über unsere Erwartungen hinaus gut vorbereitet. Man muss allerdings erwähnen, dass wir mit weit weniger Teilnehmern gerechnet hatten, weshalb unsere ursprüngliche Zeitplanung schlichtweg nicht praktikabel war (angesprochen hatten wir diese Vermutung schon in der Ausschreibung). Abgesehen davon, fehlte es uns eigentlich an nichts – von Protokollen, Listen und Kriterien, alles war vor der ersten Leserunde vorhanden. Der von Sarah übertrieben gelobte Auswertungsbogen hat mich übrigens selbst überrascht – ich wusste gar nicht, dass ich solche Dinger schreiben kann.

Was hat dich beim Lesen besonders gefreut?

Sarah: Die grünen Stories. Nun, dazu muss ich etwas ausholen: Alle Stories, bei denen wir von Beginn an sicher waren, dass sie unzweifelhaft in die Anthologie kommen mussten, haben wir auf unseren Bewertungsbögen mit grünem Leuchtstift markiert. Und die Tatsache, wie viele engagierte Schreiberlinge mit grossem Aufwand und Mühe mitgemacht, an ihrer Sprache geschliffen und uns am Ende gute Texte präsentiert haben.
Rahel: Obwohl wir relativ viele Einsendungen im Romantik-Genre erhalten durften, freute und freue ich mich insbesondere über die grosse Vielfalt. Und das war nicht nur bei den Genres so, sondern ebenfalls bei den Charakteren, den Schreibstilen und aufgegriffenen Themen. Und selbstverständlich gab es einzelne Einsendungen, die mich schlichtweg vom Hocker gerissen haben, weil sie meinen persönlichen Geschmack trafen.

Hat dich etwas gestresst oder vielleicht sogar genervt?

Sarah: Gestresst hat mich … Soll ich offen sein? Ja? Ehrlich gesagt, das ganze Ding, von A bis Z! Man will seine Sache ja schliesslich richtig tun und das lässt sich nicht lapidar nebenher erledigen, wenn man diesen Anspruch sehr ernst nimmt, dann ist man halt auch mal ein klein wenig gestresst. Spätestens mit dem Literaturwettbewerb können wir voller Stolz sagen, dass Clue Writing ein regelrechter Vollzeitjob ist.
Genervt? Ich denke mal, so wie ich Rahel kenne, wird sie die Wortwiederholungen ansprechen und ich erspare es euch, darauf näher einzugehen. Nun, sonst eigentlich nur eine Sache: Wie schwer es für manche Nutzer ist, eine Formatvorlage zu verwenden – da blutet mein kleines, des Verständnisses unfähiges, IT-Gören-Herz!
Okay, etwas kann ich noch hinzufügen: Rechtschreibung! Ich habe vollstes Verständnis, dass jeder Fehler macht, aber einige Dinge, die ich gesehen haben, führten zu leichten Erstaunen …
Rahel: Gestresst hat mich vor allem der Zeitrahmen. Einfach so durchlesen konnten wir die Kurzgeschichten ja nicht, denn damit wir sie fair bewerten konnten, waren wir den Teilnehmern unsere volle Aufmerksamkeit schuldig. Das hiess im Endeffekt, dass die Bewertungen nicht beiläufig auf der Couch gemacht wurden, was zugegebenermassen wenig entspannend war.
Genervt hat mich sicherlich hier und da etwas – weil menschlich – hängengeblieben ist jedoch nur etwas: Wortwiederholungen. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass immer mal wieder Wiederholungen durchrutschen, das ist bei uns auf Clue Writing ja auch so und nicht jeder hat ein eingebautes Synonymwörterbuch ins Hirn implantiert. Nur bei einigen wenigen Beiträgen fühlte ich die Frustration eines jeden Deutschlehrers etwas zu sehr und wünschte mir, dass der Autor sich Zeit für eine Überarbeitung genommen hätte. Wir haben sogar herausgefunden, welche Worte äusserst gefragt sind: Immer, Blick, Auch, Aber, Doch, Augen(blick), Moment, wieder, Zeit, nur, Sagen, Fragen und Hören.
Es gab als immer wieder Momente, wenn auch nur kurze Augenblicke, in denen auch ich mich nervte. Doch dann wandte ich meinen Blick auf die Schreibfreude der Teilnehmer, sagte mir „Aber die Mühe ist es wert, keine Frage!“, schloss die Augen für einige Zeit und hörte mich rufen: „Allons-y!“

Gab es etwas, das dich sehr überrascht hat?

Sarah: Die schiere Menge der Einsendungen! Ich wusste ja schon, dass es da draussen so Subjekte gibt, die aus unerfindlichen Gründen auf die Idee kommen, dass schreiben cool ist – ich hatte aber keine Ahnung, dass so viele von euch finden, dass wir cool genug sind, um bei uns mitzumachen! Na, wenn das mal kein richtiges Dankeschön, inklusive Kotau und Gratis-Kaffee verdient hat, was dann?
Ich habe zwar mit vielen Romantik-Stories gerechnet, doch das Verhältnis zu anderen Texten war auch für mich eine Überraschung. Es ist zweifelsohne beeindruckend zu sehen, wie verliebt manche Menschen, oder besser gesagt ihre Charaktere, sein können!
Rahel: Es ist kein Geheimnis, dass mir Romantik bis heute ein Rätsel bleibt. Ich habe überhaupt nichts gegen dieses Genre, bloss fehlt mir der persönliche Zugang dazu. Allerdings war mir klar, dass sich Romantik grosser Beliebtheit erfreut und wir bestimmt viele Einsendungen dazu erhalten werden und ich freute mich darauf, durch den Wettbewerb etwas für mich Neues kennenzulernen. Was mich dann trotzdem überraschte war, wie oft ich mich beim Gedanken erwischte: „Das ist ein klein wenig … nun, sexistisch? Oder … Verstehe ich etwas einfach nicht?“. Zur Erklärung will ich sagen, dass ich kaum je etwas für sexistisch halte, insbesondere dann nicht, wenn es nur um einen einzelnen Vorfall geht, der nicht so mir nichts dir nichts verallgemeinert werden kann. Dennoch, nachdem ich zum gefühlt tausendsten Mal gelesen habe, wie „gross, gutaussehend“ ein Herr ist und was für einen „tollen Job“ und „hohe Wangenknochen“ er doch hat, konnte ich mir das Kopfkratzen nicht immer verkneifen. Das Interessante dabei war in erster Linie, dass diese Attribute oftmals sehr, sehr ähnlich beschrieben wurden und mehrheitlich ohne weitere Charakterisierung auskommen mussten. Hauptsache er ist gross, sieht gut aus und verdient ordentlich, dann kann man die Heirat gleich ohne seine Zustimmung planen, alles andere spielt sowieso keine Rolle. Ich hätte da lieber andere Informationen; wie düster ist sein Humor? Kann er einen Hund föhnen? Was weiss er über Physik oder Bio und was kann er mir beibringen? Besiegt er mich beim Kampf an der Konsole? Ebenso ertappte ich mich hier und da dabei, wie ich statt mit einem verklärten Seufzen, mit Gänsehaut auf etwas reagiert, das eigentlich süss und romantisch gemeint gewesen wäre. Das mag absolut an mir liegen, aber ich finde weder manipulatives Verhalten noch das Übertreten des persönlichen Raums ohne Erlaubnis romantisch, sondern viel mehr gruselig oder ärgerlich. Trotzdem gefielen mir viele dieser Geschichten, sie hatten nur nicht den erwarteten Effekt auf mich.

Wie war es für dich, die Texte anderer zu bewerten?

Sarah: Eigentlich ganz entspannt. Natürlich stellt man an sich den Anspruch alles nach bestem Wissen und Gewissen zu tun, aber am Ende des Tages wird das Resultat nicht besser, wenn man sich Sorgen macht und wie ein Eichhörnchen auf Ritalin im Kreise rennt. Und wirklich beruhigend fand ich es, als ich sah, dass meine Bewertungen nicht so sehr von Rahels abwichen. Denn wenn Rahel was sagt, muss es stimmen!
Rahel: Einschüchternd ist hier wohl der richtige Term. Ich hatte wirklich grosse Angst davor, der Arbeit der Autoren nicht gerecht zu werden. Aus diesem Grund war ich wahnsinnig froh, dass wir einen sehr konkreten Bewertungsbogen hatten, auf den ich mich stützen konnte. Schliesslich ging es ja nicht darum, welche Kurzgeschichten meinen Geschmack treffen – ich bin nicht der Literaturguru (hast du gehört, Sarah?), sondern bloss jemand, der sich Mühe gibt, Literaturfreude zu verbreiten. Daher hat es mich gefreut, wenn ein Text, der mir sehr gefiel, viele Punkte sammeln konnte und gleichermassen war ich zufrieden, wenn einer, der mich nicht so angesprochen hatte, dasselbe tat.

Was würdest du beim nächsten Mal anders machen wollen?

Sarah: Für ein Projekt dieser Grösse brauchen wir definitiv mehr Leute! Und da wir hier frei Wünsche äussern dürfen: Bis dahin werden wir Patreon haben, etwas Crowdfunding würde uns natürlich absolut, nein, megalotastisch überglücklich machen!
Rahel: Nur eines: Wir brauchen mehr Jurymitglieder.

Wird es einen nächsten Literaturwettbewerb von Clue Writing überhaupt geben?

Sarah: Ich weiss, wie stur Rahel ist und dass ich alles mitmache, was sie vom Zaun bricht – und sage deshalb: Wahrscheinlich!
Rahel: Vermutlich. Das hängt jedoch davon ab, ob wir engagierte Literaturfreunde finden, die in der Jury mitmachen wollen. Wenn ihr also Sarah ein klein wenig ärgern und mir eine Freude machen wollt, dann lasst euch von uns motivieren, munter-heiter an Clue Writing zu arbeiten.

3 Gedanken zu „Inside Clue Writing | Der Literaturwettbewerb“

    1. Hallo liebe Jennifer,
      hui, bei so vielen Daumen (die Anzahl hängt ja von den aufgrund nuklearer Verstrahlung variierenden Menge an Mutationen ab) fühlen wir uns megalotastisch geehrt! WIr hoffen, unser Bestes gegeben zu haben und weiterhin zu geben :)
      Mit grossem Dank und nicht minder grossem Knicks grüsst
      Aus der Clue Writing Redaktion
      Sarah

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