Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
„Das Teil sieht aus wie eine …“ Rick hielt inne, betrachtete die aufgereihten Instrumente, fasste sich ans Kinn, bevor er seinen Zeigefinger in die Luft streckte. „Eine Abwaschbürste.“
„Was hast du für seltsame Abwaschbürsten?“, wunderte sich Mick und Brick nickte wortlos. Der schweigsame Einbrecher hockte neben seinen Kumpanen im Schneidersitz auf dem Teppich und betastete behutsam die Werkzeuge ihres neuen Komplizen, die fein säuberlich poliert in einem Etui lagen und von dem eines tatsächlich an ein Bürstchen erinnerte. „Wie meinst du? Ganz normale Abwaschbürsten für die Spüle.“ Er wollte zur Küche deuten, das Anwesen war allerdings derart riesig, verwinkelt und mit Krimskrams vollgestellt, dass er keine Ahnung hatte, wo er überhaupt war. Alleine den Flur mit der Tür zum Tresorraum zu finden, war in einer orientierungslosen Schnitzeljagd ausgeartet, und das obschon der Chef ihnen die Blaupausen mitgegeben hatte. „Im Bad habe ich auch so eine“, fügte Rick schließlich an. „Die brauche ich, um das Waschbecken hinter der Armatur zu putzen, da sammelt sich nämlich immer Seife an und das ist wirklich eklig.“
„Ja, wie wäschst du dich denn?“, prustete Mick amüsiert, selbst Brick schaute hoch. „Badest du im Waschbecken?“
„Natürlich nicht.“ Rick kratzte sich am Hinterkopf und leuchtete dabei mit der Taschenlampe an die stuckverzierte Decke, was Erick, der neue Safe-Spezialist, mit einem entnervten Seufzen goutierte. „Aber mein Cleanser schäumt stark, da kann schon mal was hinter dem Wasserhahn landen.“
„Ach so“, murmelte Mick verständnisvoll, indes rollte Mick mit Augen. Er hatte wenig für solchen Firlefanz übrig, überhaupt war er ein Mann ohne Schnörkel, ganz im Gegensatz zu den anderen beiden.
„Habe mir ein teureres Waschgel gegönnt“, begann Rick leicht verlegen sein Geld für Pflegeprodukte auszugeben. Als er vor bald fünfundzwanzig Jahren beim Chef angeheuert hatte, war er fälschlicherweise davon ausgegangen, als Einbrecher ein einigermaßen gutes Auskommen zu haben.
„Davon hast du erzählt.“ Mick schielte kurz zu Erick, der gerade mit einem Ding im Dingens der Tresortür fummelte. Die Nomenklatur im Panzerknackergewerbe war ihm auch heute noch ein Buch mit sieben Siegeln, einer von vielen Gründen, weshalb Micks Aufstiegschancen im familiären Betrieb des Chefs eher limitiert blieben. „Ist es das mit Minze?“
„Nein“, gab Rick zurück und fuchtelte erneut mit der Taschenlampe. „Davon hatte ich mal einen Tester, Minze reizt die Haut zu sehr, du weißt, ich habe empfindl…“
„Haltet die Klappe!“, donnerte es aus der Ecke und eines von Ericks Dingern, das wie ein angefressener Grashalb aussah, kam geflogen. „Dieses sinnlose Geplapper und Gewackel mit der Lampe ist ja nicht zum Aushalten.“ Brick grinste, zuckte dann zusammen, als Erick ihm das Werkzeugetui unter der Nase wegzog und motzte: „Pfoten weg von meinen Sachen!“ Er griff eines der länglichen Dinger sowie ein Ding mit einer Art Anhänger dran, drehte den anderen den Rücken zu und rutschte vor die Safetür.
Eine Weile blieb es still in der Villa, abgesehen von Ericks leise klackernden Instrumenten und dem sporadischen Knarren der Holzträger, die den Gang beim Tresorraum säumten. Direkt nachdem ein sattes Geräusch erklang, wandte sich Erick um und fing an, seine Dinger einzupacken. „Das war’s“, sagte er sichtlich wütend, stand mit geschultertem Rucksack auf und gab der Tür einen Ruck, sodass der Strahl von Ricks Taschenlampe den Schließmechanismus traf.
„Guck dir mal die Bolzen an“, staunte Mick und strich mit der Hand darüber, woraufhin Erick schnaubte: „Willst du der Polizei nicht gleich eine Visitenkarte da lassen? Deinen Führerschein vielleicht?“
„Oh“, machte Mick, zuppelte an seinem Ärmel und wischte hastig über seine Fingerabdrücke.
„Unfassbar“, meckerte Erick kopfschüttelnd weiter, ehe er sich seinen Koffer schnappte und einige Schritte den Korridor hinunter ging. „Ein unfähiger Haufen seid ihr, unverständlich, weshalb der Chef euch Vollidioten nicht längst zum Teufel gejagt hat.“ Damit marschierte er davon, vermutlich in die falsche Richtung, so genau wusste keiner der Anwesenden, wo der Durchgang zum Weinkeller lag, durch den sie eingestiegen waren. Zurück blieben Rick, Mick und Brick, die entrüstete Blicke austauschten.
„Ja und du bist ein …“, rief Rick trotzig durch den leeren Flur. „Ein … ein doofer Kackbraten, kritisierst den Chef, als wärst du wer, du … du Regimekritiker.“
„Dem hast du’s aber gegeben“, kommentierte Mick trocken, Brick kicherte belegt und sie verschwanden im Tresorraum.
„Davon kannst du dir tausend Seifen kaufen“, flötete Mick fröhlich eine Tasche auf den Klappkarren hievend, den sie in weiser Voraussicht mitgenommen hatten. Beim letzten Einbruch vor einigen Monaten hatte er sich einen Bandscheibenvorfall zugezogen, was er auf das Gewicht des Diebesguts, nicht seines Ranzens schob. „Sogar die mit Minze.“
„Ich habe dir eben erklärt, meine Haut ist viel zu sensibel für Minze. Du hörst mir nie zu.“ Eine zweite, dritte und vierte Sporttasche landete auf dem Wagen, randvoll mit Schmuck und diversen Papieren, die sie für den Fall mitgehen ließen, dass der Chef damit etwas anfangen konnte.
„Dann kaufst du dir halt eine andere, was weiß ich von Seife?“ Mick rieb sich erschöpft stöhnend den Nacken. „So eine Plackerei.“
„Und Erick, der faule Drecksack, hilft nicht mit“, nörgelte Rick, warf den letzten Sack aus dem Tresorraum und beobachtete, wie sein Kumpel das schwere Teil vom Boden hob und auflud. Während der andere ächzend den Karren in Bewegung setzte, stieß Rick die Tresortür zu, die erstaunlich sanft in ihre Position glitt und automatisch schloss. „Hoffentlich sucht uns der Chef einen anderen Knacker“, spie er verächtlich aus. „Nennt der uns unfähig, pah! Vollidioten, hast du das mitbekommen? Vollidioten hat der uns genannt!“
„Ja, Rick, habe ich.“ Mick blieb stehen und wischte sich mit seinem T-Shirt den Schweiß von der Stirn, das er vom Betriebsausflug in den Zoo hatte. Bestimmt gäbe es bessere Outfits für Einbrüche, als ein hellgelbes Shirt mit einem Koala und der Aufschrift „G’ Day Mate“, bloß wäre das weniger weich und lustig. „Lass ihn einfach, der wird schon noch kapieren, wie der Hase läuft. Nicht wahr, Brick? Brick?“
„Wo ist er?“
„Brick?“, versuchte Mick es erneut und sah sich um, ohne ihren ruhigen Gesellen irgendwo zu entdecken. „Brick, wo bist du?“
„Gerade eben war er noch hier“, merkte Rick an, zeigte dabei gedankenverloren auf den Tresorraum. „Er hat die letzte Tasche gepackt, dann habe ich sie genomm… oooh“, machte er, sein Gesicht zu einer erschrockenen Fratze verziehend. „Scheiße.“
„Du hast doch nicht etwa … Mist.“ Schockiert sowie beschämt starrten die beiden auf die nun verschlossene Tür.
„Brick“, brüllte Rick so laut er konnte und hämmerte mit den Handflächen gegen das Metall. „Brick, keine Angst, wir holen dich da raus.“
„Und wie? Das Ding kriegen wir ohne Ericks Dingens nicht auf.“
Rick verzog den Mund, protestierte lautstark, als Mick sein uraltes Privathandy, das er bei Einbrüchen eigentlich zu Hause lassen sollte, aus der Hosentasche fischte. „Du wirst den blöden Kackbraten jetzt wohl nicht anrufen?“
„Muss ja wohl, wir brauchen seine Dinger und ihn.“
Es war das peinlichste Telefonat, das Mick je hatte führen müssen, das fürchterliche Missverständnis mitgerechnet, als er statt seiner Freundin seine Mutter angerufen und ihr schmutzige Fantasien in den Hörer geflüstert hatte, bevor er die Verwechslung bemerkt hatte. Ein wenig beruhigte ihn die Tatsache, dass Erick sich in der Villa verlaufen hatte und daher weder wusste, wie er raus, noch wie er wieder zum Tresorraum zurückkäme.
„Brick, Brick. Brick, Erick kommt bald, halt durch.“ Ricks Geschrei wurde langsam heiser, wahrscheinlich war das sowieso besser so, kreischende Einbrecher übten den Beruf in der Regel nicht lange aus. „Brick!“
„Was denn?“, fragte Brick, der mit einer Möhre im Mund hinter ihnen auftauchte und freudig meinte: „Ich habe die Küche gefunden.“