Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
Unter einer von drei Palmen in einer kleinen Oase. Die Wüstensonne steht direkt über einer Reisegruppe von fünf Touristen im mittleren Alter und zwei jungen Fremdenführern, die wahlweise Wasser oder Weißwein aus Sportflaschen trinken und einem kleinen, dunkelhaarigen Jungen dabei zusehen, wie er Früchte heranträgt.
Sören: Gertrude! Das Kamel! Oh nein, Gertrude!
Gertrude: Sören, jetzt beruhige dich doch, es frisst doch nur.
Sören: Sand, Gertrude, es frisst Sand!
Gertrude: Seufzt. Sören, bitte, lass uns doch einfach mal in Ruhe die Aussicht genießen.
Brunhilda: Ja, Sören, halt doch wenigstens für drei Minuten den Mund!
Sören: Also wirklich, Brunhilda, nun fang du nicht auch noch an zu streiten.
Brunhilda: Wie jetzt? Ich wollte dir doch nur helfen …
Brunhilda: Ächzt. Das sagst du immer, aber in Wahrheit machst du Sörens Gezappel bloß schlimmer!
Sören: Hey! Ich zapple …
Brunhilda und Gertrude: Unisono. Sören! Sei jetzt still!
Sören: Ist still.
Brunhilda: Du hast recht, Gertrude, wir sollten Sören einfach ignorieren. Zu Sören, ganz langsam: Hast du gehört, Sören? Wir ignorieren dich jetzt.
Sören: Rollt mit den Augen und nickt.
Gertrude: Na mal sehen, wie lange das anhält.
Ein hochgewachsener Touristenführer, Arman, spaziert mit einer Schale Trauben zu den dreien, hinter ihm frisst das Kamel noch immer die trockenen Halme, die am Rande der Oase aus dem Sand wachsen.
Arman: Here, you want have fruit?
Brunhilda: Säuselnd. Oh, Arman, yes. It looks so juicy.
Sören: Zu Gertrude. Meinst du, die gibt mal auf?
Gertrude: Kichernd. Niemals. Da fallen dem Kamel eher die Höcker ab.
Sören: Wäre es dann ein Dromedar?
Gertrude: Oh Gott, Sören, wie blöd bist du eigentlich? Ein Dromedar hat Höcker!
Sören: Wie viele?
Gertrude: Entnervt. Wie meinst du das, wie viele?
Sören: Kamele haben nicht immer gleichviele Höcker, Gertrude. Es kommt darauf an, welche Formatvorlage es hat.
Gertrude: Du spinnst doch, ein Kamel ist doch kein Computer-Dingsda …
Sören: Fällt ihr ins Wort. Computer Dingsda! Hört, hört, die Büroangestellte stellt ihr Wissen unter Beweis.
Brunhilda: Dreht sich sichtlich wütend zu den beiden um. Ein Trampeltier hat zwei, ein Dromedar einen Höcker, keines der beiden funktioniert mit Formatvorlagen und jetzt seid endlich still! Ich will mich mit Arman unterhalten.
Sören und Gertrude: Sind still und werfen sich spöttische Blicke zu.
Arman: Irritiert. Is there problem?
Brunhilda: No, no problem. Those two are just being childish. Lacht laut und wirft sich das Haar in den Nacken.
Mohamed, der andere Fremdenführer klopft dem im Sand grasenden Kamel auf die Hinterhand, sagt etwas Unverständliches zu dem älteren Ehepaar, das im Schatten sitzt und schlendert dann zu Arman und Brunhilda.
Mohamed: Ah, going well?
Brunhilda: Erschrocken. Mohamed, I didn’t see you there.
Mohamed: Verwirrt. But I’m big.
Brunhilda: Yes, I mean, no. That’s not it. I couldn’t see you because the sun is glaring.
Arman: Klopft seinem Kollegen auf die Schulter. The sun is no good for Tourists. An Brunhilda gewandt. Let’s go to shadow.
Arman schiebt Brunhilda in Richtung der Palmen. Gertrude, Sören und Mohamed bleiben am Rand der Oase stehen und sehen den anderen beiden hinterher.
Sören: Gertrude, jetzt wird sie nie nachgeben.
Gertrude: Wieso meinst du?
Sören: Der arme Kerl hat sie an der Schulter berührt, du weißt, was das heißt.
Gertrude: Aufgebracht. Oh nein, Sören, sie wird sich in ihn verbeißen wie damals, weißt du noch, damals mit Pascal!
Sören: Nickt traurig. Ja, er kann bloß noch um Vergebung für seine Sünden bitten, bevor er in den Sand beißt.
Gertrude: Lacht. Aber Sören, jetzt übertreibst du.
Sören: Ernst. Findest du? Wollen wir Pascal fragen, ob ich übertreibe, Gertrude?
Mohamed: Schiebt sich zwischen Gertrude und Sören und wirkt ängstlich. Was ist mit Pascal passiert?
Sören: Ach, um den war’s ab dem Moment geschehen, als … Moment! Stupst Mohamed an die Brust. Wieso kannst du Deutsch?
Gertrude: Sören! Sei nicht so rassistisch! Kratzt sich am Kopf. Aber, trotzdem … An Mohamed gewandt. Wieso kannst du Deutsch?
Mohamed: Eilig und besorgt. Ich habe in Kassel studiert, das schlechte Englisch gehört zu unserer Marketingstrategie. Aber was ist jetzt mit Pascal?
Gertrude und Sören: Unisono. Aaah!
Gertrude: Sören, ich habe dir doch gesagt, dass ich ein deutsches Physikbuch in der Lobby gesehen habe, habe ich doch, oder Sören?
Sören: Ja, Gertrude, hast du.
Mohamed: Pascal … Bitte!
Sören: Räuspert sich und grinst Gertrude dann breit an, ehe er ernst seinen Arm um Mohameds Schulter legt. Oh Pascal, der gute Pascal, nachdem Brunhilda mit ihm fertig war, haben wir ihn nie wieder gesehen.
Mohamed: Nervös. Ernsthaft? Ich muss Arman warnen!
Gertrude: Kickt Sören ins Schienbein. Also wirklich, Sören, du kannst dem Mann doch nicht so eine Angst machen!
Sören: Was? Es stimmt doch.
Gertrude: Ach geh weg und sieh dem Kamel beim Sanden zu! An Mohamed gerichtet. Keine Sorge, Mohamed, Arman wird nichts passieren. Nur Brundhilda wird heute Abend wieder weinend im Hotelzimmer liegen.
Mohamed: Vollkommen verwirrt aber etwas weniger beunruhigt. Wieso das denn?
Gertrude: Nun weißt du, Mohamed, so ist das eben mit alten Weibern, die in die Ferien fahren, um sich junge Männer anzulachen, wenn es nicht klappt, sind sie am Boden zerstört …
Sören: Fällt ihr ins Wort. Und fressen mit dem Suppenlöffel Schokoladencreme.
Mohamed: Nun wieder besorgt. Das ist aber nicht gut, Arman ist verheiratet. Vielleicht sollten wir sie warnen?
Gertrude: Lachend. Mohamed, du bist zu fürsorglich. Brunhilda wird es überleben, nach einem Abend voller Schluchzen ist die wieder auf den Beinen und jagt dem nächsten hinterher. Wenn es darum geht, sich fremden Schönlingen an den Hals zu werfen, ist die wie ein Perpetuum Mobile.
Sören: Aber wenn du uns einen Gefallen machen willst, Mohamed, kannst du mir ein Kamel für sie anbieten. Lacht laut los und zieht damit Brunhildas Aufmerksamkeit auf sich.
Mohamed: Nickt verschwörerisch. Okay, ich versuch es, aber das sind keine Kamele, das sind Dromedare.