Diese Story ist auch als Hörgeschichte und in einem Sammelband erschienen.
Diese Geschichte spielt im erweiterten Universum der „Promise“-Reihe.
„Ich hasse mein Leben“, keuchte Porter als er auf einer glibberigen Pfütze ausrutschte, dann robbte er auf dem Hosenboden über den gammeligen Teppich auf die Wand zu. Panisch zerrte der stämmige Haudegen an seinem Blaster, welcher in seinem Gürtelholster steckte und brachte es nach einigem Hin und Her zustande, die Waffe zu lösen. Er richtete sie auf den leeren Gang, in dem Leitungen hinter herausgelösten Deckenplatten hervorhingen und im gelblichen Notlicht skurrile Schatten auf den Verputz zeichneten. Bis auf seine stoßartigen Atemzüge konnte der Abenteurer nichts vernehmen, offenbar hatte er sie tatsächlich abgehängt. Erleichtert seufzend aktivierte der dunkelhäutige Mann das Com an seinem Handgelenk und stellte eine Verbindung her. Ehe der Mann am anderen Ende etwas sagen konnte, wetterte Porter los: „Rhys, du alter Ire, du hast behauptet, diese Bude sei sauber!“
Die Antwort war von statischem Rauschen überlagert, auf einem ausgestorbenen Planeten keine Seltenheit, zumal keiner der Com-Verstärker funktionierte. „Also auf den Lebensformenscans sah alles verlassen aus. Du bist in der zweihundertsten Etage, was soll da schon sein?“
„Der ganze Wolkenkratzer ist voller Zombies, Mutanten oder was auch immer das für Dinger sind. Da sind mindestens zweihundert von den Dingern drin, pah, zweihunderttausend! Egal, was wir hier plündern könnten, es lohnt sich nicht, holt mich ab bevor ich gebissen werde!“
„Okay, wir kommen“, erklang Rhys aus seinem Ohrstöpsel. „Aber du weißt, dass wir schlecht landen können, oder? Das Gebäude ist seit unzähligen Jahren nicht mehr gewartet worden, bei unserem Glück bricht gleich das Dach ein. Wir müssen uns genau wie du vorhin vom darüber schwebenden Raumschiff aus abseilen, schaffst du es zurück aufs Dach?“
„Vielleicht“, entgegnete Porter sofort, auf den bisher leeren Gang starrend. „Zwischen mir und dem Treppenhaus sind zu viele, ich versuche einen anderen Weg zu finden. Ach ja, fürs Protokoll: Künftig plündern wir wieder Raumschiffwracks, das ist sicherer, da gibt es keine Killerviren und Biowaffen.“
„Dann müssen wir improvisieren und dich irgendwie da hoch kriegen, lieber zwanzig Stockwerke nach oben als zweihundert runter, in denen alles voller Infizierter ist.“
Porter bot sich durch das geborstene, bodentiefe Fenster, vor dem Moos aus dem Spannteppich spross, eine gute Aussicht auf die Ruinenstadt. Zumindest wusste er jetzt, wieso auf diesem Planeten seit Jahrzehnten niemand lebte, auch er würde sich sein Zuhause wohl kaum mit aggressiven, hirnlosen Mutanten teilen wollen.
Eilig kraxelte Porter den Luftschacht entlang, der wahrscheinlich seit dem Untergang dieser Welt seinem Schicksal überlassen worden war. Er musste unbedingt aufs Dach gelangen, also überwand er sich widerwillig, sich durch dieses Chaos aus Insektenlarven, Spinnweben und Spuren anderer Tiere zu kämpfen, obschon diese in dem erfahrenen Abenteurer wiederholt Würgereiz auslösten. Kaum auszudenken, was für widerlicher Mist in den Nischen lauerte, welche der schwankende Lichtkegel seiner Stirnlampe übersah. Angewidert kniff Porter kurz die Augen zu, einen Fehler, den er sogleich bereute; mit seinem vollen Gewicht stütze er sich auf etwas Schleimigen auf, das mit einem ekligen Geräusch zerplatzte. Erschauernd schob sich der stämmige Mann in dem engen Schacht nach vorn, öffnete seine Lider eine Sekunde zu spät, um den Knick in dessen Verlauf zu bemerken. „Scheiße“, stieß er aus, als er nach unten purzelte.
Ehe er die Gelegenheit bekam, sich zu orientieren, landete er erstaunlich weich, begleitet von einem schaurigen Klang. „Was um alles in der Galaxis …?“
Hastig sah sich der Plünderer in dem Raum. Er befand sich in einem mehrere Dutzend Meter breiten, vertikalen Ventilationsschacht, der von einem horizontalen Schacht unterbrochen war. In diesem waren zehn Stockwerke über ihm zwei Gitter montiert, zwischen denen ein gigantischer Propeller vor sich hinrostete. Erst dann schaute Porter nach unten und begriff, auf was er gelandet war, was ihm einen entsetzten Schrei entlockte: Ein zerfallener, menschlicher Körper lag unter ihm und war von dem Aufprall teilweise durch das Gitter des Bodens gedrückt worden, unter dem ein weiterer nach demselben Prinzip verbauter Propeller lag. Wie ein hartgesottenes Ei in einem Eierschneider, bei dem der Koch nach der Hälfte aufgab, hingen Fetzen des Zombies nach unten, wo sich das sich alle paar Stockwerke wiederholende Muster aus Gittern und Ventilatoren irgendwann im Dunkel verlor. „Fuck!“, stieß Porter angeekelt aus. Als er aufsprang gab der vermeintlich Tote ein unmenschliches Röcheln von sich. „Eine Zombiepresse?“
Als wären sie von dem Wort statt Porters Ausruf angelockt worden, torkelten plötzlich Horden von Untoten durch einen Zugang in den Schacht. Nach dem ersten Schock fasste sich der Mann wieder; trotz ihrer Menge stellten sich die wandelnden Toten relativ dumm an. Die vorderen blieben mit ihren Füßen in den Löchern des Gitters hängen, das keinesfalls zum darauf Gehen konzipiert war, und fielen aufs Gesicht. Ihre Hintermänner hielten allerdings nicht an und stolperten über ihre Vorderzombies. Der Anblick des sich bildenden Zombiewalls war derart absurd, dass Porter in Gelächter ausbrach. Ihm blieb das Lachen leider im Hals stecken, denn der Zombiehaufen wuchs stetig an und drohte, jeden Augenblick zu einer um sich schnappenden und kratzenden Leichenlawine zu werden, die zudem den einzigen Ausgang blockierte.
Hektisch suchte Porter nach eine Möglichkeit, sich aus der prekären Situation zu befreien. Doch er wäre nicht der alte Haudegen, der aus jeder misslichen Lage das Beste zu machen versuchte, träte er nicht selbst seinem Ende kämpfend entgegen. Und so zögerte er kaum, als ihm eine verrückte, weit hergeholte Lösung einfiel. Während sich hinter ihm die Hundertschaften der Toten zu einem Wall anwuchsen, der jederzeit kollabierten konnte, strauchelte er über das Gitter auf die gegenüberliegende Seite zu. Obwohl er zweimal beinahe hinfiel, gelangte er schlussendlich zu einem in der Wand eingelassenen Paneel, es blieb ihm die Hoffnung, eine Backup-Batterie des Gebäudes hätte genug Ladung für seine wahnsinnige Idee übrig. Mit entschlossener Miene legte er den Hebel um, just in dem Moment, in welchem der Zombiehügel in der befürchteten Lawine zusammenbrach und sich in die Mitte des großen Schachts ergoss.
Porter musste sich mit aller Kraft festhalten und vermutete, dass er lediglich deswegen nicht weggefegt wurde, weil er seinen Fuß im Gitter verhakt hatte. Die Ventilatoren im Schacht waren in der Tat zum Leben erwacht und lieferten einen bedeutend stärkere Leistung, als sich der Abenteurer je zu erträumen gewagt hätte. Zuerst hatten die Zombies zu schweben angefangen und abstrus in der Luft herumgefuchtelt, ohne sich wirklich bewegen zu können und schließlich schossen sie wie menschliche Projektile im Windstrom nach oben. Hunderte Leichen wurden einfach so weggefegt, hoben ab wie wenn sie mit Raketentriebwerken ausgestattet wären und stets schlurften neue Zombies hinein, bloß um genauso rasch durchzustarten. Keiner kam auch nur annähernd in Porters Nähe. Innert Kürze hatten sie das zehn Geschoße weiter oben liegende Gitter verstopft, bloß um von dem starken Sog nach oben langsam durchgedrückt zu werden und schließlich auf der anderen Seite in den nächsten Propeller zu geraten. Vor vielen Jahren hatte Porter ein Doku-Holo gesehen, in dem gezeigt worden war, wie in der Frühgeschichte der Menschheit, damals, als es noch Papiergeld gegeben hatte, eine Zweihunderternote in einen ähnlich verheerenden Schredder geriet. Bei der Erinnerung konnte gar der schreckenserprobte, sonst immer todernste Mann nicht anders; er grölte los. Lange hielt sein Amüsement ob der mittlerweile zweifellos zweitausend kreativ recycelten Zombies jedoch nicht an, denn langsam aber sicher fiel es ihm schwer, sich festzuhalten. Das Gitter über ihm begann, belastet vom kaum nachlassenden Zombiebeschuss, zu knarren. Ehe Porter sich einen weiteren Plan ausdenken konnte, rutschte er ab und flog, umgeben von einer Staffel Wiedergänger, auf sein Verderben zu.
Rhys, der Anführer der kleinen Gruppe Glücksritter, stand auf der Laderampe des alten Frachtraumschiffes, das ein paar dutzend Meter über dem alten Gebäude schwebte und hatte eben sein Seil eingehakt, um sich aufs Dach herunterzulassen und seinem Freund beizustehen. Der alte Ire vergäbe es sich nie, wenn jemandem von seiner Crew etwas zustieße, weil er ihn in ein scheinbar sicheres Gebäude geschickt hatte. Gerade, als er der Pilotin via Com mitteilen wollte, er sei nun bereit abzuheben, erbebte das Hochhaus. Rhys hatte keine Chance, die Geschehnisse einzuordnen, da wurde bereits ein kreisrunder Teil des Betons weggeschleudert, ja pulverisiert und zur Verwirrung des Captains, raste ein um sich rotierender Propeller aus dem entstandenen Loch empor und stürzte, begleitet von Trümmern und einer gigantischen, pinkfarbenen Staubwolke, in den Abgrund.
„Was ist das?!“, rief er perplex aus. Er bekam keine Antwort, dafür hagelte es menschliche Überreste; von grob gehäckselten bis fein pürierten Körperteilen, gespickt mit einzelnen ganzen Zombies, das Potpourri flog durch die Luft und verteilte sich über mehrere Häuserblocks. Ein abgetrennter Kopf schnappte im Vorbeiflug nach Rhys und mehr aus Reflex trat er ihn einem Fußball gleich in die Häuserschlucht hinab. Bevor der Captain sich einen Reim auf die ganze Sache machen konnte, sah er, wie Porter auf ihn zugeflogen kam, sprang und streckte einen Arm aus.
„Zweihundert Stundenkilometer“, kommentierte Liv, die Pilotin des alten Frachters gleichgültig über das Bordcom ihre Geschwindigkeit, während sie die ausgestorbene Metropole hinter sich ließen. Rhys und Porter lagen auf der sich schließenden Laderampe im Windschatten und konnten die vom Wind in mehrere Himmelsrichtungen verwehte Wolke sehen.
„Hast du eine Zombiekanone gebaut oder was?“, erkundigte sich der Captain atemlos und deutete auf Porters Hinterteil. „Und was klebt dir da am Hosenboden? Und im Haar? Und überall sonst?“
„Zombiepampe und zweihundert Millionen Mikroben.“ Er rappelte sich mühsam auf, um ins Innere des Frachters zu gelangen. „Und was jetzt, verlassen wir diesen Scheißbrocken endlich?“
„Machst du Witze?“, widersprach ihm Rhys sofort. „Hier gibt es unzählige Reichtümer in Regionen zu holen, in denen es keine Zombieböller gibt!“
Porter gab ein entmutigtes Seufzen von sich. „Ich bin mal in der Dusche.“