Lächelnd saß Jennifer Hughes-Williams auf ihrem Kanapee. Sie war darin vertieft, neugierig mit ihren Fingern die Perlenbesetzten Netzwerkknoten des Haarnetzes zu erforschen. Doch ihre Gedanken drehten sich dabei auch um die politischen Belange der Welt. Das Boudior, in dem sie sich gerade aufhielt, gehörte zu ihren persönlichen Räumen an Bord des Luftschiffs „Ambush Hope“, mit dem sie durch Europa auf dem Weg nach Frankreich unterwegs war. Im Auftrag ihrer Majestät sollte sie sich dort und in anderen Ländern mit den Regierenden treffen, um ein Bündnis gegen den Ostasiatischen Raum zu bilden. Alles um zu verhindern, das Kaiser Wang Chueng So Europa eroberte, um damit seine Version des Eurasischen Reichs zu begründen.
“Wie kunstfertig dieser Haarschmuck doch ist.”, dachte sie bewundernd.
Das bewaffnete Diplomaten Luftschiff gehörte zur Luftflotte des Vereinigten Königreiches, seine Mannschaft war auf jegliche Art des Kampfes trainiert. Es würde einige Zeit dauern, bis sie ihren Mann und ihre Kinder wiedersehen würde. Sie hoffte das Jonathan sich bis dahin von seinen Verletzungen erholt haben würde, die er sich bei der Verteidigung der Europäischen Grenzen gegen die Asiaten zugezogen hatte. Aus diesem Grund, und weil sie die politischen Größen Europas genauso wie ihr Mann kannte, hatte das Empire sie auf diese Reise geschickt.
Sie betrachtete sich in dem Wandspiegel und legte den Haarschmuck zur Seite. War es überhaupt richtig, dass sie sich so viele Gedanken um ihren Mann machte, während die Menschen ganz Europas in Gefahr waren und viele an den Grenzen starben? Sie sah die Maske an, die auf dem kleinen Tisch lag und setzte sie schließlich auf. Bei Ihrer Ankunft würde der Premierminister einen Maskenball veranstalten, auf dem sie ohne dieses Kleinod sofort auffallen würde. Andererseits gab ihr diese Festivität auch eine gewisse Diskretion, niemand der anderen Gäste würde bemerken weswegen sie wirklich gekommen war. Erfreut stellte sie fest, dass die Maske wie angegossen auf ihrem Gesicht lag. Später würde sie den Ratschlag des Maskenbildners in die Tat umzusetzen und die Ränder mit etwas Mehl behandeln, damit sie selbst unter Schweißausbrüchen nicht unangenehm auf ihrem Gesicht kleben würde.
Es klopfte an der Tür ihres Boudoirs. “Ja, wer ist da bitte?”
“Ich bin es Mylady, ihre Kammerzofe. Ich bin gerade dabei, die Räume herzurichten und ich müsste noch in ihrem Boudoir den Boden saugen. Darf ich eintreten, außer wenn ich sie störe?” antwortete eine junge Frauenstimme.
Jennifer lächelte, stand auf und öffnete ihrer Zofe die Tür. Ein wenig schüchtern und zurückhaltend trat Sueng Yui-Masters ein. Sie war die Tochter eines Empire Soldaten und einer asiatischen Überläuferin. Dank dieser Umstände hatte es Suens Familie später nicht leicht gehabt, wäre der Soldat Masters nicht ein treuer Gefolgsmann ihres Mannes gewesen. Somit standen sie unter dem Schutz der Familie Williams, und Jennifer beschloss Suen Yui nicht nur eine gute Schulbildung, sondern wenigstens auch eine Anstellung als ihre Bedienstete zuteilwerden lassen, wenn sie von dem Rest der Gesellschaft trotz ihrer dunkelblonden Haare nicht anerkannt werden sollte. Auch ihre Mutter arbeitet in ihrem Haus als Köchin. Mit der Zeit entwickelte sich ein besonderes Vertrauensverhältnis. Und Suen Yui begleitete Jennifer nahezu überall hin. Nur diesmal würde sie an Bord des Luftschiffes bleiben müssen, was Jennifer sehr bedauerte.
“Tritt ein Suen. Du störst keineswegs.” sagte Jennifer freundlich. “Wenn du Zeit hast können wir beide uns anschließend ein wenig unterhalten.”
Suen trat ein und entrollte den Schlauch des Staubsaugers, den sie mit einem dafür vorgesehenen Loch in der Wand verband. “Gern Mylady. Aber erst wenn ich meine Arbeit beendet habe, wenn sie erlauben?”
“Natürlich Suen.” entgegnete Jennifer und begab sich derweil zu dem kleinen Schrank, um zwei Gläser und etwas zu trinken vorzubereiten. Sie seufzte, während Suen den Schieber des Sauganschlusses öffnete und den Knopf betätigte, der die Saugpumpe für die Privatkabinen betätigte. Sie schaute sich um und sah wie Suen durch den Raum glitt um den Boden zu reinigen. Das saugende Geräusch des Saugschlauches war leiser als das eines herkömmlichen Staubsaugers.
Dann schnarrte die Stimme von Kapitän Charles Wright durch den unscheinbaren Lautsprecher, was wie eine Radiostimme klang. “Mylady, wir überqueren jetzt die Grenzen Frankreichs und betreten damit französisches Luft-Hoheitsgebiet.”
Jennifer schaute kurz auf die Papiere, die sie vorbereitet hatte und schenkte einen leichten Wein in die beiden Gläser ein und begab sich mit diesen zu dem kleinen Tisch in der Mitte. Sie setzte sich und wartete, bis Suen mit ihrer Arbeit fertig war.
Wieder ertönte die Stimme von Kapitän Wright “Achtung an alle! Wir werden gleich eine kleine Turbulenz durchfliegen müssen. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, auch wenn die Fahrt kurzzeitig ein wenig holprig sein wird.”
Jennifer stand auf und ging zu dem kleinen Kabinenfenster und schaute hinaus. Sie sah die Wolkenfront, auf die sie zuflogen. Gerade wollte sie sich zum Tisch zurück begeben, als das Luftschiffs plötzlich wild zu schaukeln anfing und sie aus dem Gleichgewicht brachte. Jennifer stolperte und landete auf dem Boden. Dort blieb sie einen Moment, und gerade als sich das Luftschiff wieder beruhigte legte sich plötzlich etwas um ihren Hals und riss sie zurück. Gleichzeitig spürte sie einen Druck in ihrem Rücken während ihr die Luft abgeschnürt wurde. Sie versuchte zu atmen, aber sie bekam keine Luft mehr. Panisch ruderte sie mit ihren Händen und versuchte den Saugschlauch von ihrem Hals zu lösen, um wieder Luft zu bekommen. Doch vergebens, sie wurde kraftloser und langsam schwanden ihre Sinne. Dann schaukelte das Luftschiff abermals, diesmal heftiger und brachte sie und die Person hinter sich zu Fall. Sie konnte wieder atmen und sah die sie attackierende Person fassungslos an.
“Suen? Warum?” keuchte sie krächzend.
“Ihr glaubt wohl, nur weil ihr Euch verbündet habt ihr eine Chance gegen Kaiser Wang Chueng?” schnaubte Suen wütend und stürzte sich wie ein Raubtier wieder auf Jennifer. Diese hob im letzten Moment ihre Beine an und traf Suen und schleuderte sie zurück. Sie wartete nicht auf die nächste Attacke und stand auf. Sie begriff, das Suen und wenigstens Ihre Mutter schlafende Spione waren, die nach all den Jahren des vertrauens nun erwacht waren. Sie würde nun das anwenden müssen, was Jonathan ihr versucht hatte für den Kampf beizubringen.
Suen wirbelte herum, sprang in die höhe und attakierte Jennifer mit hervorragend geschulten asiatischen Nahkampftechniken. Ihre Mutter musste sie heimlich trainiert haben. Und Jennifer erkannte, dass sie dagegen keine Chance hatte. Schweratmend am Boden sah sie ihre zerbrochene Maske auf dem Boden liegen. Sie griff sich ein scharfes Bruchstück und stach damit in Richtng Suen. Sie bemerkte nicht, das Suen inzwischen Messer in der Hand hatte und ebenfalls zustach.
Jennifer stöhnte vor Schmerz auf, die Umgebung schien zu flackern und sie roch etwas merkwürdiges. Ein Geruch nach etwas verbranntem, auch ein Knistern war zu hören wie von kleinen elektrischen Entladungen während ein Kind weit entfernt weinte. Jennifer sah und spürte noch, wie Suen sie ein weiteres Mal mit dem Messer auf Herzhöhe traf, dann wurde es schwarz um sie herum.
Plötzlich stand sie in einer Explosion aus Licht in allen erdenklichen Farben. Benommen nahm Ellen das Cyber Kopfband ab. Etwas heißes rann an ihr herunter. Sie schaute hin und sah .. Spaghetti? Irritiert schüttelte sie den Kopf, rieb sich die Augen und atmete tief ein und aus. Der zu schnelle Rückfall aus einer der Cyberwelten war immer etwas problematisch und so brauchte sie einen Moment um ihre Situation zu begreifen. Neben ihr qualmte und knisterte das kleine Cyberportal-Terminal und roch nach verbrannten elektronischen Innereien. Es war ebenfalls mit Spaghetti und dem Spaghettiwasser übergossen worden. Als sie das Kabel für die Stromversorgung entschlossen abzog, bemerkte sie den Topf vor sich auf dem Boden. Und dahinter das sich gerade aufrappelnde weinende kleine bündel Elend, das auf den Namen Cathtrine hörte, ihre Tochter.
Sie stand auf, wischte sich mit einer Hand die Spaghetti von den Schultern. Cat weinte und starrte dabei immer wieder zwischen ihrer Mutter, dem Kochtopf und den kaputten Terminal hin und her. “Ach Cat, was ist denn hier passiert?”; fragte Ellen sanft und nahm ihre Tochter auf.
Schluchzend antwortete die Kleine “Ich wollte uns etwas zu Essen machen bis du wieder aufwachst. Und dann bin ich gestolpert.” sie schluckte und schluchzte “Nun ist alles kaputt. Bist du jetzt böse?”
Ellen seufzte. Sie hätte nun furchtbar aus der Haut fahren müssen, doch sie tat es nicht. Sie war sogar stolz auf Ihre kleine Tochter, auch wenn sie es doch wieder gechafft hatte ein Chaos anzurichten. “Nein Cat, ist schon gut. Nur haben wir jetzt wohl nichts mehr zu Essen, oder?”
Cat schniefte und sagte “Ich habe noch Kekse, selbst gebacken.”
“Oh, Mama war wohl sehr sehr lange weg?” Ellen konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
“Ja, das warst du, wie immer. Und wir wollten heute zusammen spielen.” entgegnete Ihre Tochter vorwurfsvoll.
“Tut mir leid. Wollen wir nach den Keksen sehen?”
Cat schniefte, bevor sie antwortete “Sie sind noch in der Küche Mama. Ich…” sie stockte plötzlich und sagte nervös “…lass mich runter, ich hole sie dir.”
“Ach was, wir machen uns in der Küche über Deine Kekse her.” sagte Ellen und ging Neugier erfüllt mit Ihrer Tochter auf die Küchentür zu. Nichtsahnend öffnete Ellen die Tür und blieb wie vom Blitz getroffen im Türrahmen stehen. Langsam und mit offenen Mund betrachtete sie sich das durcheinander Überall im und der Spüle war dreckiges Geschirr, Tassen, Gläser und Töpfe Besteck. Einige leere Pizzaschachteln stapelten sich neben dem Mülleimer. Und der Tisch und seine unmittelbare Umgebung waren mit Mehl und Teigresten übersät.
Cat hatte inzwischen das Tablett geholt und hielt es Ellen vor Freude strahlend entgegen “Schau mal Mama, die Kekse.”
“Was …”, Ellen fehlten die Worte. “…?”
Traurig senkte Cat den Kopf und sagte traurig “Du bist doch böse Mama. Dabei wollte ich schon die ganze Woche für dich sauber machen, weil du dauernd in der anderen Welt warst und nur zum Essen und schlafen heraus gekommen bist.”
Ellen schluckte, “Eine Woche schon …?” Fassungslos nahm sie das Tablett aus den Händen Ihres Kindes und ging entschlossen zurück ins Wohnzimmer.
“Na komm schon, Cat. Oder soll Mama deine Kekse etwa alleine essen?”
Noch während ihre Tochter auf sie zu lief, verfasste sie in Gedanken ein Beta-Testerinnen Kündigungsschreiben an ihre Softwarefirma.
“Ich werde in Zukunft viel mehr Zeit für dich haben, versprochen.”, sagte sie und biss in den ersten Keks.