Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
Wanda Wellensittich balancierte auf ihrem Hölzchen und starrte aus dem Käfig auf den mit Spannteppich ausgelegten Abgrund, der sich bis zum Schränkchen mit den Nüssen erstreckte. „Was für eine Schande“, quietschte sie entnervt. „Wir wollen mehr von den Nüssen und weniger von diesem gesunden Futter.“
Hermann Hansi-Bubi krächzte zustimmend. „Natürlich. Bloß, soll man tun? Ausbrechen, alle Nüsse aufessen und dann zurückkehren? Unmöglich.“
„Sehr wohl möglich“, erwiderte Wanda entschlossen, während Hermann einen weißen Fleck Vogelkot aufs Packpapier, das den Boden ihrer Bleibe bedeckte, fallen ließ und ein zufriedenes „Uff“ von sich gab. Wanda war weiterhin von ihrem Vorhaben überzeugt: „Irgendwann musst du ja dafür zu begeistern sein.“
„Klingt nach zu viel Arbeit“, brummte Hermann gleichgültig. „Die Pläne schmiedest du jetzt schon seit einem Jahr, niemand sonst interessiert sich dafür. Es gibt halt Nüsse, wenn es Nüsse gibt, sonst ernährt man sich gesund, basta.“
„Komm schon, Manfred Mensch kann uns doch nicht je eine läppische Handvoll Nüsse geben, das geht über die Hutschnur und …“, ereiferte sich Wanda, wurde allerdings von einem Rascheln verschreckt, als Sandra Schauwellensittich sich einen knappen Zentimeter neben Hermanns Vogeldreck durch den Bodenbelag pickte.
„Hey, könnt ihr ruhig sein da oben, ich versuche mir hier in Frieden einen Papierhut zurechtzuhacken.“
„Oh, bitte entschuldigen Sie, werte Fashionista“, sagte Wanda sarkastisch. „Isst du deine Nüsse nicht? Ich nehme deine Portion sonst gerne, wenn du auf die Linie achten möchtest!“
„Nein, nein, nein! Ich brauche einen Hut, weil euer Vogeldreck ständig auf mein Stöckchen runterfällt, ich will den nicht auf der Birne haben.“ Sie nuschelte etwas, das wie „Kloakeentleerendes Lumpenpack“ klang und verschwand unter ihrem vogeldunggespickten Papierberg.
„Sie ist nicht dabei“, stellte Wanda trocken fest. „Was ist mit dir, Hermann? Ist heute der Tag, an dem du deinen Hintern hochbekommst und mir hilfst?“
Er seufzte resigniert. „Wenn ich dir helfe, lässt du mich für mindestens sechs Monate damit in Ruhe, klar? Und sollte es Manfred Mensch merken, bin ich nicht schuld.“
„Zwei. Und danke, ich wusste, dass ein verfressener Vogel in dir steckt.“
„Fünf.“
„Drei.“
„Vier“, lenkte Hermann ein. „Ziehst du vorher wieder dasselbe Drama ab, klaue ich dir deine wertvollen Nüsse. Okay, was ist der Plan?“
„Plan? Wieso sollte ich den Plan haben? Ich dachte, du hast einen Plan.“
Eine Weile herrschte Stille, bis Sandra Schauwellensittich erneut aus ihrem Packpapier auftauchte und amüsiert trällerte: „Was seid ihr für planlose Spatzenhirne?“
„Klappe, Sandra“, protestierte Hermann, ehe er neugierig wurde. „Moment, hast du eine Idee?“
„Ich? Ich bin ein Schauwellensittich, kein Panzerknacker!“ Sie plusterte sich auf, wie sich nur ein Vogel mit einem Einfall aufplustern konnte. „Nein, um an den Nussschrank zu kommen benötigt ihr ein Aus- und Einbrechergenie, jemand, der überall herein und herauskommt.“
„Oh nein, bitte nicht er!“, stießen Wanda und Hermann unisono hervor, zu spät. Konrad Kater, der auf der Couch gedöst hatte, hob den Kopf und seine Schnurrhaare zuckten. „Die Voliere haben gerufen?“
Wanda gab die Scharade auf, am Ende liefen ihre Pläne immer auf Konrad heraus, also erklärte sie ehrlich: „Wir wollen Nüsse holen.“
„Und was springt für mich dabei raus?“, forderte Konrad zu erfahren, streckte sich langsam und wetzte dann die Krallen am Kissen.
„Du kannst Sandra aufessen?“, schlug Hermann vor, was der Schauwellensittich mit einem entrüsteten „Hey“ quittierte. Konrad miaute verneinend: „Nein danke, ich ernähre mich ausgewogen und auf dem Weichfutter ist am Sonntag Petersilie.“ Er überlegte kurz. „Machen wir es so: Diesmal geht aufs Haus und ihr bleibt mir was schuldig, früher oder später brauche ich Vogelgezwitscher, um Nathan Nachbarskatze zu ärgern. Deal?“
„Gebongt“, stimmte Wanda zu, zwitschern war sowieso eines ihrer Hobbies. Siegessicher sprang Konrad von der Couch, trat zum Schränkchen mit den Erdnüssen und öffnete es mit der Pfote. Als das Glas mit den Nüssen zu Boden fiel, nahm er eine in den Mund und trottete in Richtung Käfig. Gerade, als er begann die Gitterstäbe zu erklimmen, meinte Sandra: „Hey, Konrad – du weißt schon, dass auch Katzen Erdnüsse mögen?“
„Hm“, machte Konrad, warf die Nuss auf den Teppich und knackte sie dann umständlich, um die Behauptung auf die Probe zu stellen. Frustriert zeterte Wanda: „Wieso, Sandra?“
„Das habt ihr davon, auf mich runterzukacken wenn ich schlafe“, gab sie triumphierend zurück. „Jetzt fühlt ihr am eigenen Leib, wie das ist die Angeschißenen zu sein.“
„Ja, aber … aber … das sind die Nüsse, verstehst du, die Nüsse?!“, schrie Wanda Wellensittich empört. „Es ist eine bodenlose Frechheit, uns die Nüsse zu ruinieren, das geht zu weit!“
Konrad Kater gähnte gelangweilt. „Die schmecken nicht schlecht, trotzdem, ohne Petersilie ist das nix. Da bleibe ich lieber beim Weichfutter.“ Damit schlurfte er aus dem Zimmer und ignorierte Hermann, der ihm hinterherbrüllte: „Ernsthaft jetzt, mach wenigstens die Käfigtür auf, sonst zoffen wir uns den ganzen Tag, weil Wanda die Nüsse nicht hat.“
Konrad haute kommentarlos ab, offenbar war ihm das Gezanke zu bunt geworden. Stattdessen war nun Manfred Mensch zu hören, der die Wohnungstür aufschloss und rief: „Hey Vögelchen, gleich gibt es Nüsse!“
„All das Chaos, damit ihr die Nüsse fünf Minuten eher habt?“, beschwerte sich Sandra. „Seht ihr, womit ich mich hier herumschlage?“
„Ich habe nicht angefangen“, verteidigte sich Hermann.
Manfred hatte derweil seinen Kater gefunden. „Hey Konrad, schläfst du schon wieder? Immerhin freuen sich die Vögel, bin ich zuhause, so wie die zwitschern.“