Diese Geschichte spielt im erweiterten Universum der „Promise“-Reihe.
„Na, was gibt’s zum Abendessen?“, erkundigte sich Natala und lehnte sich in den Durchgang zur Küche. Stanley, der erste Maat an Bord des Raumschiffes und ihr bester Freund, legte die Soßenkelle zur Seite du gestikulierte in Richtung der Pfannen: „Bratkartoffeln an Inote-Pizsoße.“
„Nicht schlecht“, meinte der Captain gutgelaunt und schlenderte zum Kameraden. „Kann ich dir helfen?“
„So wie du kochst, lieber nicht“, frotzelte er. „Du kannst mir aber sagen, wo du den Pfannenwender verlegt hast, den finde ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Es ist, als hättest du den aus der Luftschleuse geworfen.“ Mit einem amüsierten Glucksen nahm er die Kartoffeln aus der Schäl- und Schneidemaschine und warf sie in die Pfanne. Sofort erfüllte das Brutzeln des Öls die Küche, während Natala ihre Lockenmähne schüttelte. „Den was? Ist das so ein Rührdingens, Herr Chefkoch? Ich knalle einfach alles in eine Pfanne und nenne es ‚Eintopf‘, das hier ist ein Schmugglerfrachter, nicht das Set einer HoloNet-Kochsendung.“
„Na dann gibt’s halt künftig umgewendete Gerichte, außer wir haben ausnahmsweise mal statt Drogen oder Alkohol Küchenutensilien geladen.“
„Wir haben Bäume geladen.“ Natala deutete mit dem Daumen vage in Richtung des Frachtraums. „Es ist bald Mittwinter.“
„Fichten“, präzisierte Stanley. „Wir haben Fichten geladen, auch bekannt als Rottannen. Nur, wer bezahlt schon dafür, Fichten auf einen tropischen Planeten zu schmuggeln? Ich meine, man könnte ja auch eine Palme schmücken, aber nein. Jedes Mal, wenn der galaktische Kalender wieder den Dezember erreicht, gehen die Preise für Fichten durch die Decke. Verstehe einer die Menschheit.“
„Hör auf mit deiner Baumbestimmung, man könnte ja glauben, du hast Biologie studiert“, lachte Natala. „Wie auch immer, so lange die Leute so viel für Bäume, pardon, Fichten, bezahlen, dass es sich für uns lohnt, die anstatt Pyrianagras durch die halbe Galaxis zu fliegen bin ich dafür, dass sie Mittwinter feiern. Ein rentables Geschäft für uns ist es allemal.“
„Auch nur, weil wir sie ohne Zollbehörde transportieren“, gluckste Stanley und rührte in den Bratkartoffeln. „Interessanter als damals, wo wir den Frachtraum voller Brokat und Tartanbahnen hatten, ist es allemal. Plus, wenn wir in Feststimmung kommen wollen, können wir noch immer einen klauen und im Aufenthaltsraum aufstellen, der Crew würde das sicherlich Spaß machen.“
„Hm“, machte Natala skeptisch, ehe sie mit einem Schulterzucken brummte: „Dan wird sowieso einen Baum aufstellen, der ist manchmal mehr Innendekorateur als Pilot. Na ja, hübsch sieht es aus, das muss ich zugeb…“
Sie unterbrach sich, als Sven, der Mechaniker, in die Küche stürmte und aufgeregt rief: „Irgendwas oder irgendwer ist mit uns auf dem Schiff!“
Instinktiv fuhr Natalas Hand zu ihrem Gürtel und sie zog den Blaster, noch bevor sie sprach. „Wie kommst du darauf? Haben wir blinde Passagiere und sind sie feindselig?“
„Keine Ahnung, doch ich habe gerade wen zwischen den Tannen unten im Frachtraum durchhuschen sehen. Und Dan kann es nicht sein, der ist auf der Brücke.“
„Gehen wir nachsehen.“ Natala stellte die Strahlenwaffe auf Betäubung, als das Trio in Richtung des Laderaums schritt. Dies wäre bei weitem nicht das erste Mal, es hatte sich schon öfter jemand an Bord ihres Frachters geschlichen, meist Flüchtlinge, die ihr Glück auf einer reicheren Welt versuchen wollten. „Wir schießen nicht tödlich, die meisten blinde Passagiere sind unbewaffnet und relativ harmlos. Mal sehen, mit was wir es zu tun haben.“
Stanley tat es ihr gleich und Sven, der noch seinen Arbeitsoverall trug und deshalb keine Waffe bei sich hatte, hielt sich zurück. Angespannt trat der Captain voraus auf den Metallgittersteg, der die Ladebucht überspannte. Sofort stieg ihr der Geruch nach Harz und frisch geschnittenem Holz in die Nase, als sie auf die dicht aufgereihten Tannen unter ihnen linste, die den ganzen Bauch des alten Frachters füllten.
„Ich sehe nichts“, wisperte sie und schlich voran über den Steg, von dem aus sie eine gute Aussicht auf ihre Fracht hatte. Sie überlegte, wo sie sich am ehesten verstecken würde, wenn sie ein versteckter Passagier an Bord ihres eigenen Schiffes wäre, als Stanley die Stille brach und zischte: „Da, nahe der Laderampe.“
Sofort legte Natala an und nun konnte auch sie sehen, wie sich die Äste eines der Bäume bewegten. Ohne zu zögern feuerte sie mehrere Salven in die Richtung ab, Stanley tat es ihr gleich. Blaue Betäubungsblitze zuckten durch den Laderaum, bis ein leises Plumpsen zu vernehmen war. „Wir haben ihn erwischt“, frohlockte Stanley und auch Natala atmete nun auf. Zwar konnten sich noch mehr Leute an Bord verstecken, aber die Wahrscheinlichkeit war eher klein. „Gut, sehen wir nach. Bleibt wachsam, nur für den Fall, dass wir noch mehr Typen an Bord haben.“
Vorsichtig arbeiteten sich die drei durch den temporären Wald vor, bis sie bei dem Baum anlangten, der sich bewegt hatte. Stanley brach in Gelächter aus, bückte sich und hob ein betäubtes Eichhörnchen auf. „Ich gratuliere, du hast unser Abendessen erlegt.“
„Witzbold“, schnaubte Natala. „Na gut. Scheinbar haben wir mit den Tannen ein Eichhörnchen verladen, was machen wir jetzt mit dem? Rumrennen lassen können wir es schlecht, das wäre auch nicht besser als ein Schadnager, wenn es in die Nähe der Kabelstränge kommt.“
„Typische Mittwinter-Probleme halt“, gluckste Stanley, wandte sich ab und schlenderte in Richtung der Küche davon. „Ich kümmere mich lieber wieder um die Bratkartoffeln.“
Sven und Natala blieben neben dem bewusstlosen Tier stehen und nach kurzem Schweigen fragte Sven: „Haben wir noch einen Käfig oder willst du das Vieh im Aufenthaltsraum herumlaufen lassen. Und sag mal, was essen Eichhörnchen eigentlich? Ich hoffe mal, die mögen Bratkartoffeln.“