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Diese Geschichte spielt im erweiterten Universum der „Promise“-Reihe.
Das Glockenspiel, das am Vordach der Veranda hing, klimperte vor sich hin – solche Geräusche waren in einer Welt voller wandelnder Toten zu einer Rarität, ja, einem Luxus geworden. Sharif lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer auf dem Schaukelstuhl zurück und schaute auf das vom Sonnenuntergang in warme Farben getauchte Hochmoor. Die unscheinbare Blockhütte, in der er sich zu Beginn des Weltuntergangs verschanzt hatte, strahlte die verbleibende Wärme des Tages in seinen Rücken, während er die Schneeglöckchen anstarrte, die ihre letzten blühenden Tage verbrachten.
Aus dem Innern erklang das Knistern seiner Langstrecken-Com-Anlage, die vom portablem Fusionsgenerator hinterm Haus betrieben wurde. Sharif erhob sich und rief: „Miso, kommst du rein?“ Der alte Akita hob den Kopf, musterte sein Herrchen, schnaubte demotiviert und schlief weiter. Sharif trat ohne seinen besten Freund in die Hütte, ehe er es sich am hölzernen Sekretär vor der Com-Anlage bequem machte und den Lautsprecher aktivierte.
„… da jemand?“, plärrte eine verzerrte weibliche Stimme aus dem Lautsprecher. „Hallo? Ist irgendwer da draußen?“
Sharif zögerte nur kurz, ehe er das Gerät aktivierte. „Ich bin hier“, antwortete er. Das Militär hatte sich nach einigen verheerend schiefgelaufenen Einsätzen zu Beginn der Pandemie zurückgezogen, aufgegeben, noch Überlebende zu finden, die Infizierten mussten auf ihren Lebensformenscans gleich wie normale Menschen aussehen. „Ich bin hier“, wiederholte er. Wer ist da?“
„Mira-Yu.“ Die Verbindung wurde von Statik überlagert. „… bin allein, habt ihr eine Siedlung?“
„Keine Siedlung, ich bin auch allein hier“, entgegnete Sharif, verschwieg jedoch, wie wenig seine Persönlichkeit in eine Siedlung gepasst hatte, immerhin war dieses Blockhaus schon vor dem Weltuntergang sein Rückzugsort gewesen. Erneut verstand er nur einen Teil ihrer Nachricht: „… und darum … treffen?“
Sharif biss die Lippen zusammen, rang kurz mit sich selbst, ehe er seufzend nach dem Senden-Button langte: „Okay, aber komm allein. Wenn ich sehe, dass du lügst, schieße ich. Und ich treffe.“
„Danke!“ Sie klang den Tränen nahe, gar über die schlechte Verbindung konnte er ihre Erleichterung vernehmen und er erklärte: „Ich schicke dir die Koordinaten. Folge dem exakten Weg durchs Moor zu der Hütte, bei jedem anderen sinkst du im angrenzenden Sumpfgebiet ein.“ Wie die Zombies, ergänzte er in Gedanken, wohl wissend, wie sicher sein Wohnort war. Skeptisch musterte er die Triangulation des Geräts, die Unbekannte war nahe, wäre kurz nach Einbruch der Dunkelheit bei ihm – Zeit, sich vorzubereiten.
„Miso, komm rein!“, zischte Sharif und diesmal kam der treue Gefährte angetrottet, schnüffelte demotiviert an seinem mit Kauspuren übersäten Spielball und sprang dann aufs Sofa, um da weiterzuschlafen. Zufrieden machte sich Sharif daran, das Magazin seines Blasterkarabiners aus der Ladestation zu holen und nahm das Maschinenöl zur Hand, um die Waffe vorzubereiten – man konnte nie vorsichtig genug sein.
Im letzten Tageslicht kraxelte Sharif über eine rostende Ballrückgabemaschine, die bereits der Vorbesitzer der Hütte da entsorgt haben musste, aufs Flachdach, legte sich hin und nahm das Gewehr zur Hand. Sharif wusste, da er seit anderthalb Jahren die wenigen verbleibenden Com-Nachrichten abhörte, wie viele Räuberbanden da draußen unterwegs waren; jeder menschliche Kontakt war ein Risiko, erst recht, wenn man Schwäche zeigte. Dass diese Mira-Yu derart ängstlich geklungen hatte, war in dieser Welt mehr als ungewöhnlich, entweder war das der schlechteste Plan für einen Überfall, den er je gesehen hatte, oder er traf gleich einen der letzten Menschen hier, die noch ein Stück Menschlichkeit bewahrt hatten.
Er aktivierte das Nachtsichtgerät am Zielfernrohr und begann, den einzig gangbaren Weg durchs Hochmoor abzusuchen, den man nur mit seiner Anleitung fand. Bislang waren noch alle Zombies fast einen Kilometer entfernt steckengeblieben und Räuber hatten gar nie versucht, bis zu ihm vorzudringen. Dies war Sharifs erster persönlicher Kontakt mit einem anderen Menschen seit dem Ausbruch (falls alles gutging) und er war entsprechend nervös. Bevor er sich weiter Gedanken dazu machen konnte, tauchte ein Schemen auf dem Weg auf, zeichnete sich rotgelb gegen den grün-schwarzen Hintergrund in seinem Nachtsicht-Zielfernrohr ab. Das musste sie sein! Unruhig beobachtete er weiter und gab ein frustriertes Seufzen von sich, als er sah, wie ein zweiter, dann ein dritter menschlicher Umriss folgte. „Shit, sie hat gelogen! Natürlich muss es eine Falle sein“, murmelte er resigniert und beobachtete weiter. Um sicherzugehen hatte er der Fremden nicht den Weg zum Haus, sondern nur in die Nähe genannt, ohne seine Hilfe würden sich also auch diese Eindringlinge verirren.
Beinahe eine Viertelstunde hatten die vermutlichen Räuber gebraucht, um drei Viertel des schwer gangbaren Wegs zurückzulegen, stets im Zielfernrohr des Einsiedlers. Nun langten sie an der Stelle an, von der an die Wegbeschreibung falsch war und in der Tat blieben die Silhouetten stehen, sahen sich einige Zeit skeptisch um und schienen sich dann zu beraten. Sehr zu Sharifs Erleichterung machten sie kehrt und schritten den Weg zurück – er konnte sich also eine Schießerei sparen, sein Standort blieb vorerst sicher; er war enttäuscht, auch diesmal keine vernünftigen Überlebenden getroffen zu haben. Gerade, als er die Waffe absetzen wollte, erspähte Sharif, wie eine einzelne Person auf die Hütte zukam, noch weit entfernt. Skeptisch musterte er die Gestalt, die klein wirkte, die Umrisse weiblich – dann begriff er mit einem Mal: Das musste sie sein, die Räuber hatten nur ihren Funkspruch überhört und die Chance nutzen wollen, jetzt ging sie direkt auf die Eindringlinge zu, die sie zweifelsohne überfallen, wenn nicht gar umbringen würden. Ohne zu zögern, zischte er „Ihr Arschlöcher ruiniert mir keine Freundschaft“, legte auf die zurückgehenden Räuber an und drückte ab. Der erste fiel in den Hinterkopf getroffen tot um, die anderen beiden sahen sich verwirrt um und zogen ihre Blaster, als er bereits den zweiten erschoss. Auch der dritte hatte keine Chance, das Moor bot keine Deckung und mit einem gezielten Schuss erledigte Sharif auch ihn. Sofort versuchte er wieder, seine neue Bekannte durchs Zielfernrohr zu sehen, um ihr falls nötig Deckung zu geben, erst da begriff er, wie sie panisch zurück in den nahen Wald rannte und verschwand. „Natürlich, sie hat die Schüsse gesehen und glaubt jetzt, ich wolle sie umbringen“, stöhnte er, schulterte des Gewehr, kletterte resigniert vom Dach herunter und kehrte zur Com-Anlage zurück, in der irrationalen Hoffnung, sie wäre so unvernünftig, ihn nochmals zu kontaktieren. „So viel Pech muss man haben, was, Miso?“, begrüßte er seinen vierbeinigen Kameraden beim Betreten seiner Bleibe und schaltete das Com an. Draußen klimperte das Glockenspiel, das am Vordach der Veranda hing, vor sich hin.