Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
„Ich denke, der Neue wird sich prima schlagen“, meinte Marius und schlich durch die menschenleere Bank. „Der hat die richtige Einstellung.“
„Wer, Jack?“ Bernard schüttelte den Kopf. „Seine Zuversicht interessiert mich nen Dreck, Zuverlässigkeit ist alles. Punkt.“
„Dann ist der halt zuverlässig zuversichtlich. Passt schon.“
Die beiden maskierten Männer langten vor einer mit einem Schloss gesicherten Gittertür an und Marius fischte einen Dietrich aus seiner Jackentasche, während Bernard einwandte: „Kev war zuverlässig zuversichtlich, jeden verfluchten Tag schien dem die Sonne aus dem Arsch. Ohne Hose hätte der das ganze Schlachtfeld beleuchten können. Und was hat es ihm gebracht?“
„Wer zum Teufel ist Kev?“, wollte Marius wissen, damit beschäftigt, das Schloss zu knacken.
„Ah, stimmt, die Geschichte habe ich dir nie erzählt. Kev war in meiner Einheit. Konnte einem mit seinem Optimismus zum Kotzen bringen, schon vor unserer Landung in Omaha Beach. Hat es überlebt. Optimistisch, als wir in den Ardennen von der Wehrmacht angegriffen wurden. Hat auch das überlebt. Optimistisch, dass wir den Typ mit dem Schnauzer besiegen. Auch das haben wir. Optimistisch, am letzten Tag des Krieges nicht auf ne verfickte Landmine zu stehen. Blieb ihm im Hals stecken.“ Bernard pausierte, beobachtete Marius bei der Arbeit, ehe er ergänzte: „Also nicht die Landmine, seine eigenen Knochensplitter. Hat ihm den Rest gegeben.“
Marius lachte trocken. „Tja, er ist in Einzelteilen in den Himmel gekommen.“
„Optimisten sind zu blöd für den Himmel“, gab Bernard zurück. „Naiv sind sie. So wie dieser Jack.“
„Vergiss Jack, der Boss hat gesagt, er sei ein ordentlicher Fahrer, also leben wir damit. Ich bleibe optimistisch, was anderes bleibt uns kaum übrig, oder? Gibt ja hier nirgends Landminen.“
„Dafür Cops, die sind schlimmer.“ Mit einem Klacken öffnete sich das Schloss und die beiden betraten den nächsten Raum.
„Der Tresor ist im Untergeschoss, richtig?“
„Wo soll er sonst sein, im Dachboden? Verflucht, schalt dein Hirn ein, Mann. Und dabei bist du angeblich der Meister-Panzerknacker.“
„Ist ja gut“, murmelte Marius beleidigt und schlurfte zur Treppe. „Kein Grund, ausfallend zu werden, ich kenne die Pläne nicht, ich lag bei der Vorbesprechung mit Fieber im Bett und ließ mir von meiner Alten Tee bringen. Mir reicht, zu wissen, welches Modell der Safe ist, der Rest ist euer Problem.“
„Was für Pläne?“, erkundigte sich Bernard verwirrt. „Wir haben doch keinen Plan.“
„Was, keinen Plan? Keine Blaupausen, nix?“
„Ne, der Boss hat den Nachwächter bestochen, sich zur richtigen Zeit Kaffee zu holen. Er schuldete ihm ohnehin einen Gefallen.“
Marius stöhnte. „Meine Fresse, seid ihr planlos. Na dann …“
„Was jammerst du rum?“, feixte Bernard. „Du musst bloß am Safe rumfummeln und schon ist alles in Butter. Beim Plan kann man nur mitreden, wenn man zur Besprechung kommt.“
„Ach, halt die Fresse, Mann. Du würdest einen Safe nicht mal aufkriegen, wenn man dir ne Bazuka in die Finger drückt, werter Herr Kriegsheld – also mach dich lieber nicht über mich lustig.“
„Ist wahr, dafür weiß ich, was wir machen, weil ich zuverlässig bin.“
„Das bildest du dir ein.“ Das Duo war am Tresor angelangt und Marius nahm das Stethoskop von seinem Hals, um es an die Panzertür zu halten. „Und jetzt sei bitte ruhig, ich versuche mich hier zu konzentrieren.“
Es hatte mehrere Minuten gedauert, bis Marius die Kombination richtig eingab, Minuten, in denen Bernard gelangweilt und nervös auf und ab getigert war. Endlich schwang die schwere Stahltür auf und die beiden Gangster standen den Reichtümern gegenüber. Marius seufzte zufrieden: „Siehste, ein Klacks.“
„Schnappen wir uns, was wir tragen können.“ Bernard trat vor die Stapel aus Geldbündeln und begann, sie in seine Sporttasche zu werfen. „Wenn unser blöder Fluchtfahrer auch wirklich da ist, sollte alles bestens sein – ich trau dem Typen nicht.“
„Wenn der Boss sagt, Jack sei okay, ist er das – Punktum und Schluss“, behauptete Marius stur, seine mittlerweile volle Tasche schulternd. „Fertig, wir können los.“
Hastig machten sich die beiden Männer auf den Rückweg die Treppe hoch. Bernard fragte, als sie die Halle betraten: „Also, er wartet gleich um die Ecke?“
„Genau, bei der Linde am Platz draußen. Rein ins Auto und nichts wie weg, bevor die Bullen kommen.“
„Ich hasse es, mit neuen zusammenzuarbeiten“, brummte Bernard, als sie die Bank verließen. In der Ferne waren Sirenen zu hören, offenbar hatte der Alarm bereits die Polizei auf den Plan gerufen.
„Lass das Gejammer bleiben und beweg deinen Arsch!“ Marius klang außer Atem. „Gleich da vorn, bei der Linde!“
„Hm.“ Bernard deutete über den leeren Platz. „Siehst du unseren Fluchtwagen?“
„Scheiße! Wo ist der Vollpfosten?“
„Hab doch gesagt, er wär besser zuverlässig als zuversichtlich gewesen.“
„Nicht jetzt“, fuhr in Marius an. „Wir müssen hier weg – schnell, in diese Gasse.“
Das Duo huschte in die dunkle Seitenstraße, an der einzig ein kleines Pub beleuchtet war. Nach wenigen Schritten gab Marius ein überraschtes Geräusch von sich und gestikulierte in Richtung ihres Fluchtwagens, der vor dem Lokal bereitstand. „Da ist er ja!“
„Los, los, los!“
Sehr zu seinem Erstaunen sah Bernard Jack, den Fluchtfahrer, der die Kühlerhaube geöffnet hatte und über den Motor gebeugt war. „Lass mich raten, das Auto ist auch unzuverlässig?“
Jack erhob sich: „Verflucht, Mann – das Ding springt nicht an, die Zündkerze ist hinüber. Ohne Ersatzteile kann ich nichts reparieren.“
Marius schlug die beste Lösung vor, die ihm einfiel: „Wir verstecken die Beute im Auto und setzen uns ins Pub, so fallen wir am wenigsten auf.“
„Gut, macht vorwärts!“ Die drei öffneten die Türen und verstauten die Sporttaschen und Masken unter der Rückbank, ehe sie ins Pub hasteten.
„Ich glaube, die Cops sind weg“, behauptete Jack gutgelaunt, als das Trio wieder vors Haus trat. „Immerhin sind zwei Stunden vergangen.
Bernard setzte dazu an, etwas zu sagen, wurde aber von Marius unterbrochen: „Nein, ich will keinen Kommentar zu Zuversicht hören. Besorgen wir uns Zündkerzen von einem anderen Auto und verschwinden dann endlich von hier.“
„Okay, okay“, murrte Bernard, nur um sogleich stehenzubleiben und den leeren Parkplatz entsetzt anzustarren. „Sag mal, kann es sein, dass du im Halteverbot geparkt hast? Wenigstens ist der Abschleppwagen noch zuverlässig.“