Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, spottete der grimmige Superschurke neben mir hämisch, setzte mit einer lächerlich heroischen Bewegung seine Skibrille auf und donnerte von dannen. Rasch zog ich meine Glock, gab mir einen Stoß und fuhr los, ihm hinterher über die Skipiste, die vom Tourismusverband als schwer eingestuft wurde. Ich wusste, ich musste ihn erledigen, koste es, was es wolle – als man mir den Job als internationalen Top-Agenten beim Geheimdienst angeboten hatte, war mir klar gewesen, dass nicht jede Mission einfach sein würde. Die Tannen flogen an mir vorbei, alle anderen Skifahrer ließen wir weit zurück. Meine Aufgabe: Den Job zu Ende bringen. Mein Ansatz: Keinen Fehler machen, darauf warten, bis ihm ein Fauxpas unterlief und ihm dann die Hände mit Kabelbinder auf den Rücken fesseln. Er zog seine Kalaschnikow, begann wie wild auf mich zu ballern. Kugeln sirrten durch die eisige Luft, schlugen in den Schnee ein, lösten eine entfernte Lawine aus – durchsiebten mich. Ich stürzte, konnte bevor ich das Bewusstsein verlor noch sehen, wie der Kerl von der Piste abkam und in den Tod stürzte. Das Gute hatte gesiegt – doch zu welchem Preis?
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, flunkerte der gutaussehende Skilehrer neben mir zwinkernd, setzte mit einer lächerlich flirtenden Bewegung seine Skibrille auf und witschte von dannen. Rasch griff ich mir meinem Skistock und folgte ihm auf dem Fuß. Natürlich, er war nicht mein normaler Typ für spannende Urlaubsflirts, aber was wollte man als gelangweilte Frau eines erfolgreichen sowie chronisch überbeschäftigten CEOs schon groß anfangen? Irgendwann hatte man alle möglichen Affären durchprobiert, hatte jeder erdenkliche Kerl jede Öse von jedem BH in meiner Garderobe mal aufgemacht. Einen Skilehrer hatte ich noch nie, mit dem würde ich mir gerne nach der Abfahrt die Zeit unter einer Wolldecke vertreiben. Na wenigstens eine Herausforderung, die mir nebst dem salonfähigen Kaschieren meines Alkoholismus‘ etwas Abwechslung bot. Geflirtet hatten wir schon seit der Talstation, immer intensiver und tatsächlich, er ging darauf ein. Glücklicherweise war mein Ehering unter dem Skihandschuh versteckt. Der Skilehrer war auf meiner Höhe, lächelte mir zu und ich erwidere seine Miene – Halt mal, sollten wir nicht auf den Weg schauen? Das Pistenfahrzeug verarbeitete uns in der Sekunde zu Hackfleisch, in der ich mich hätte umsehen wollen.
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, kommentierte der abgekämpfte Abenteurer neben mir trocken, setzte mit einer lächerlich zackigen Bewegung seine Skibrille auf und zischte von dannen. Rasch griff ich mir die Handgranate vom Gürtel, zog den Pin und warf sie in die Bergstation, bevor ich mich abstieß. Ich konnte das Rufen von Stimmen hören, als unsere Verfolger die Station stürmten, gefolgt von einer Explosion und panischen Schreien. Ich wandte mich nicht um, zerfetzte Körperteile beim Sessellift herumfliegen zu sehen musste nun wirklich nicht sein. Der Wind peitschte in mein Gesicht, Schnee sammelte sich um meine Bartstoppeln, als ich zum Kameraden aufholte. „Hast du das Artefakt?“
„Natürlich“, rief er atemlos als er elegant einem Baum auswich. „Wann müssen wir am Flugplatz sein?“
„Genau siebzehnhundert Uhr“, entgegnete ich, einen Blick auf meinen Chronometer werfend. „Das wird verdammt knapp!“
Die Cessna war bereits zu erkennen und kam rasch näher, noch ein paar Minuten. Ein Flak-Geschoss wurde irgendwo über uns abgefeuert und der kleine Flieger verwandelte sich in einen Feuerball. Trümmer regneten auf die Piste, ein Flügel köpfte meinen Kameraden und segelte auf mich zu. Aus.
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, lispelte die überschminkte Tusse neben mir kichernd, setzte in einer lächerlich mädchenhaften Bewegung ihre Skibrille auf und fuhr von dannen. Rasch griff ich mir die Spritze und gab mir einen Ruck. Meine Klassenkameradin hatte etwas Vorsprung, aber ich holte unaufhaltsam auf – es dauerte nicht lange, bis ich mit ihr auf gleicher Höhe war. „Hey, sag mal“, begann ich, einem Hubbel ausweichend, „hast du eigentlich die Sachen, die du hinter meinem Rücken über mich lästerst auch so gemeint?“
„Ich lästere doch nicht über dich“, meinte sie mit einem typischen ich-bin-ja-so-niedlich-Lächeln. Angewidert verzog ich das Gesicht. Da gab man der Schlampe noch die Gelegenheit, sich zu entschuldigen und sie glaubte, sich aus allem herausreden zu können! In ihrer Lage sollte man nach dem letzten Strohhalm greifen. Aus die süße, kleine Maus. Meine Hand umfasste die Spritze, ich ramme sie ihr in den Oberschenkel. Dabei verlor ich das Gleichgewicht, stürzte auf die Skipiste und raste mit dem Kopf voran auf einen Baum zu. Das Medikament würde die dumme Kuh zweifelsohne erledigen, ein letzter, schwacher Trost vor dem tödlichen Aufprall.
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, lamentierte der melancholische Kumpel neben mir seufzend, setzte in einer lächerlich pathetischen Bewegung seine Skibrille auf und glitt von dannen. Rasch griff ich mein Taschentuch, schnäuzte mich und versuchte dann aufzuholen. Insgeheim fragte ich mich, wie ich darauf gekommen war, ein Skiurlaub sei das Richtige für einen Kollegen, der sich bloß noch schwer depressiv in seiner Wohnung verschanzt hatte. „Komm schon, Alter, die frische Luft wird dir guttun“, hatte ich ihn überredet. Fairerweise musste ich mir eingestehen, dass ich damals noch nicht kapiert hatte, er könnte selbstmordgefährdet sein. Jetzt, da wir die Abfahrt schon zwei Mal gemacht hatten, wusste ich es besser: Er ließ es bei jeder Gelegenheit darauf ankommen, in das nächstbeste Hindernis zu krachen, ich musste aufpassen, damit es ihm nicht gelang. Da war es wieder, der Vollidiot steuerte auf den Abgrund zu! Rasch packte ich seinen Arm, um ihn wieder auf die richtige Spur zu bringen. Statt wie bisher einzulenken umklammerte der wesentlich stärkere Kerl meine Hand und zog mich mit über die Kante. Mein Magen drehte sich um, als ich die verschneiten Tannen mehr als hundert Meter unter mir sehen konnte. „Alter, du Arsch!“
„Von jetzt an geht es nur noch bergab“, scherzte meine Mutter neben mir grinsend, setzte in einer lächerlich schusseligen Bewegung ihre Skibrille auf und rutschte von dannen. Gemächlich griff ich in meine Tasche, kramte ein Hustendrop heraus und begann, darauf herumzulutschen. Dann setzte ich mich mit einem Seufzer in Bewegung, viel brauchte es nicht, um mitzuhalten. „Mom?“, fragte ich, besah mir dabei die Landschaft. „Wann ist eigentlich Skifahren an den Festtagen zu einer Familientradition geworden?“
„Das war vor dreißig Jahren …“, begann sie, unterbrach sich dann sogleich, da sie meinen finsteren Plan durchschaute. „Nein, Kleines, das ist schon lange so, wir werden das keinesfalls ändern!“
Mist! Nun ja, ich habe es versucht. Zumindest hatte ich noch meine Fantasie und Zugriff auf einen schier unendlichen Fundus aus Popkultur-Wissen sowie Kriminalromanen, um mir die Zeit mit Skifahr-Todesszenarien zu vertreiben.
„Kleines?“ Ihrer Stimme war der Schalk bereits anzuhören, na super! Ja, ich war in der Tat klein, selbst wenn ich bereits seit Jahren erwachsen war. „Jaa …?“ Gedehnte Antwort, sie wusste, wie meine Skepsis klang. Keinesfalls die Luke zu weit öffnen, nicht, dass noch irgendwelche Winterkäfer in meinen Mund flogen – oder war der dafür auch zu klein?
„Wer warst du dieses Mal? James Bond? Bist du wieder gestorben?“
Verdammt, wieso kannte sie mich bloß so gut? Ich hätte ihr das nie erzählen sollen!