Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
Marco, wie ihn seine Kunden nannten, starrte die kuriose Konstruktion an und verzog das Gesicht. Eigentlich hieß er mit Nachname Markovic, weshalb sich das Pseudonym Marco geradezu anbot. Als einer der Top-Freelancer in seinem Bereich hatte er einen Decknamen auch unbedingt nötig, schließlich taten international gesuchte Profikiller gut daran, ihren echten Namen möglichst selten auszusprechen. Diese Überlegungen traten in den Hintergrund für den Mann, der seine Ziele bereits in den Bergen von Afghanistan und dem bolivianischen Dschungel gejagt hatte, denn die ihm bevorstehende Aufgabe übertraf alles.
„Wie benutzt man das Ding?“ Skeptisch musterte Marco das bis zum Rand mit Wasser gefüllte Bidet und setzte sich nach einiger Überwindung. „Für was soll das gut sein, wenn man ein Lavabo und eine Dusche hat?“, brummte er und versuchte seinen Hintern so auf den viel zu schmalen Rand zu drapieren, dass er etwas vom Wasser abbekam. „So? Da wird man ja nicht mal wirklich nass.“ Grienend ergänzte er: „Spoiler: Es ist für’n Arsch.“
In solchen Momenten verfluchte Marco seinen Job. Klar, keiner zwang ihn, seine Komfortzone zu verlassen und in einem italienischen Hotelzimmer das Bidet, dessen Funktionsweise sich ihm nicht erschloss, zu benutzen, bloß war er der Ansicht, alles mal ausprobieren zu müssen – Schalldämpfer, Wurfmesser oder eben Bidets. Mit einem Gähnen lehnte er sich gegen die gewellte Blümchentapete, wobei ihn der Wasserhahn in den Rücken piekste, und fragte sich, ob diese skurrile sanitäre Einrichtung wohl eine vergnügliche Alternative zum auf dem Klo aufs Smartphone glotzen war. Der Gedanke ans Smartphone veranlasste ihn, das Gerät aus seiner Hosentasche zu klauben, den Entsperrcode einzugeben und sich abermals sämtliche Informationen zum aktuellen Auftrag in Ruhe anzusehen. „Hm, wie bringt man einen Kardinal um?“, murmelte Marco nachdenklich, bis ihm ein passender Witz einfiel: „In seinem Alter fällt der tot um, wenn ich ihm eine Stinkbombe unter den Hut stopfe.“
Marco ging alles mit Humor an und seiner Meinung nach sollte das jeder Bösewicht tun, egal, ob Call-Center-Agent oder Killer. Nichtsdestotrotz verwarf er den dämlichen Stinkbomben-Plan und kam auf seine Lieblingsmethode zurück: Das bewährte Scharfschützengewehr. „Da kriegt er ‘ne Erleuchtung, wenn ich ihm die Birne wegpuste“, scherzte Marco, der mittlerweile vergessen hatte, wie er auf einem übervollen Bidet saß, neben dem sich eine ansehnliche Pfütze gebildet hatte. Wobei es sogar für einen erfahrenen Profi wie ihn nicht ganz leicht war, im Ausland zu einem Scharfschützengewehr zu kommen. Da der Kerl alt und religiös war, könnte er ihn ja zu Tode beten, kicherte Marco in sich hinein und streckte sich dann so entspannt, wie er in seiner kuriosen Haltung nun mal sein konnte. Er hatte noch mehrere Tage Zeit bis zu seiner Mission, das Brainstorming konnte also weitergehen.
Es klopfte an der Zimmertür und Marco wurde aus seinen kreativen Träumereien gerissen, wäre vor Schreck beinahe vom Bidet gefallen. „Verdammt, was zum Henker?“
„Mister?“, tönte der Portier in gebrochenem Englisch. „Hier ist ein Paket für Sie.“
„Ich sitze auf dem Bidet“, blaffte Marco dermaßen laut, dass es das gesamte Stockwerk hören konnte. „Stellen Sie es bitte einfach ins Zimmer.“
„Selbstverständlich“, entgegnete der Portier durch die Tür, schloss auf und platzierte das Paket. „Einen erfrischenden Abend, Sir“, meinte er, ehe die Tür wieder zuging.
„Erfrischend?“, nuschelte Marco leicht verwirrt. Dafür wäre eine Badewanne besser geeignet als diese infernalische Po-Falle, allerdings gab es keine. Murrend stand er auf und schlurfte mit triefendem Hintern aus dem Bad, um sein Paket zu holen. Brainstorming hin oder her, am Ende lief es stets auf Gift, seine aus Pragmatismus bevorzugte Methode hinaus, so hatte er sicherheitshalber schon mal ein Fläschchen von seiner Lieblingsseite im Dark Net bestellt.
Seufzend ließ sich Marco mit seinem Päckchen wieder auf dem Bidet nieder, das immer noch besser war, als gar nicht zu baden – immerhin wurden die Pobacken nass. Erneut ergoss sich ein kleiner Wasserfall auf die Fliesen und er fragte sich, wie um alles in der Welt Leute so ein Ding benutzten, ohne die Sintflut herbeizuführen. Zudem war es verdammt schwer, seinen Allerwertesten auch nur halbwegs tief genug in die schmale Öffnung zu quetschen – blöderweise kam dieses Ding nicht mit einer Bedienungsanleitung, die Aufschluss geliefert hätte.
Vorsichtig öffnete er die Verpackung und nahm den kleinen Flakon hervor, dessen Inhalt einen Kardinal in den Himmel befördern würde. Wieso machte er sich einen Kopf über verschiedene Mordarten? In der Regel orderte er das vermaledeite Zeug sowieso jedes Mal, bevor er sein Ziel überhaupt studierte! Langsam aber sicher begann ihn sein Job zu langweilen, bald musste Abwechslung her, sonst ödete ihn das ganze eines Tages vollends an. Marco schwor sich, für das nächste Ziel eine etwas andere Methode zu wählen – Sprengstoff vielleicht?
Müde erhob sich der Profikiller, schnappte das Handtuch und trocknete seinen Allerwertesten, um dann zur Zahnbürste zu greifen. Durch das offene Fenster drang der Klang einer Kirchenglocke in das Bad, eine angenehme Begleitmelodie zum Zähneputzen, befand Marco. Er versuchte, das Gebimmel mitzusummen, verschluckte sich nahezu an der Zahnpasta und musste einen heftigen Brechreiz unterdrücken. Angewidert spuckte er die Brühe ins Becken und wusch sich eilig den Mund aus. Jetzt nur noch gurgeln, danach konnte er sich endlich hinlegen. Er stürzte das winzige Fläschchen mit der Mundspülung in einem Zug und suchte vergebens nach einer zweiten Portion. Immerhin schmeckte das Wässerchen einigermaßen, dachte er sich, als er es nach dem Gurgeln herunterschluckte. Es dauerte einige Sekunden, bis sein Blick auf das leere Giftfläschchen in seiner Hand fiel. Seine letzten Worte konnte niemand hören. „Ist doch alles für’n Arsch.“