Gaststory | Ein fast perfekter Einbruch

Danny blickte auf den leeren, verschneiten Parkplatz. Der Kälteeinbruch hatte niemanden überrascht, wohl aber der Schnee. Mit einem weiteren Blick in die entgegengesetzte Richtung prüfte Danny die menschenleere Straße. Zufrieden mit sich und seiner Wahl klopfte er kurz an die getönte Scheibe des Mercedes, an den er sich gelehnt hatte und setzte sich in Bewegung. Hinter ihm startete das Auto den Motor und wendete elegant. Falls doch etwas schief gehen sollte, musste man schnell handeln können.
Das Zielobjekt war der Computerraum des neuen Schulhauses. Das ganze Dorf war dagegen gewesen. Er war bloß derjenige, der handelte.
Seine Kenntnisse im Technik-Bereich waren groß gewesen. Bis zu diesem Tag, als er verlassen wurde, weil er zu viel vor dem Bildschirm saß. Er wollte nicht, dass so etwas anderen zustoßen würde. Und deshalb musste er es einfach verhindern. So gut er konnte.
Mit geübten Griffen öffnete Danny die verschlossene Vordertür. Leise wie niemand anderes es konnte, glitt er hinein und verschloss sie von Innen wieder. Nur für den Fall, dass jemand zur falschen Zeit am falschen Ort auftauchen würde.
Aus der Jacke nahm er eine Taschenlampe und leuchtete sich den Weg durch die dunkle Schule. Es roch nach Farbe und Putzmittel. Danny wusste, wo er hin musste. Er hatte sich die Pläne genau angesehen und auch den Bau von seinem Haus aus beobachtet. Es konnte nichts schief gehen.
Langsam näherte er sich dem Computerraum. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe fiel auf eine in die Ecke gestellte Keksdose und eine danebenliegende Cola-Büchse. Danny schüttelte missbilligend den Kopf. Es erstaunte ihn jedes Mal wie unvorsichtig die Menschen mit ihrem Müll umgingen.
Nachdem er sich für einige Sekunden Gedanken zu diesem Thema gemacht hatte, schlich er weiter und trat in den neu eingerichteten Computerraum.
Zehn PCs in einer Linie und dies fünf Mal hintereinander, also 50 Computer, exklusiv des Lehrer-PCs standen da. Danny erstarrte. Was sollte er mit all den Geräten machen? Auch wenn er sich gut überlegt hatte, so war doch das Wo und Was auf der Strecke geblieben.
Mit einem Mal bekam er einen heißen Kopf und dachte nun nicht mehr logisch, sondern … gar nicht.
Er wusste, dass er etwas gegen die aufkommende Technik unternehmen musste, nur nicht wie. Eines war ihm jedoch klar: Wenn er nicht alles rausnehmen konnte, würde er eben etwas hineinnehmen müssen. Am besten etwas Brennbares.
Danny hastete aus dem Raum, schaltete seine Taschenlampe wieder an und rannte durch die verlassenen Flure. Sie wirkten wie ein Geisterort. Der schwankende Lichtfleck der Taschenlampe und die hallenden Schritte trugen zusätzlich zu der gespenstischen Stille dazu, dass sich Danny verfolgt vorkam.
Er stürzte sich die Treppe hinunter, verlor in der Hälfte den Halt und rollte bis zum Ende. Unten angekommen rappelte er sich auf, schaltete die Taschenlampe wieder an und schüttelte sie, als sie nicht angehen wollte. Sein Kopf fing an zu Brummen und es schien so, als würde sich sein Gehirn qualvoll zusammendrücken.
„Verflucht noch mal“, brachte er gepresst hervor und drückte sich beide Hände an den Kopf, in der Hoffnung die pochenden Schmerzen zu bekämpfen. Natürlich klappte es nicht.
Obwohl seine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten, konnte er noch nicht genug erkennen. Er zog das Feuerzeug aus der Tasche und hoffte, dass die Schule keinen Rauchmelder im Keller hatte.
Die kleine Flamme, die nun aus dem Feuerzeug aufstieg, erhellte, was hinter dem Schleier der Dunkelheit gelegen hatte ein bisschen. Danny sah sich um.
Sein ganzer Plan war schief gegangen und das nur, weil er falsch geplant hatte. Zuallererst bemerkte er die Kanister. Endlich sah er wieder einen Weg. Er eilte auf sie zu und hielt das Feuerzeug etwas auf Abstand.
Dünger“ stand da. Danny ließ seine Wut darüber aus, indem er den falschen Behälter auf den Boden warf und blickte auf die anderen Gefäße. Zwei davon gefielen ihm am besten. Sie waren mit Benzin gefüllt. Vermutlich gehörten sie zu dem kleinen Fahrzeug, das der Gärtner immer für den Rasen brauchte. Aber für Danny war es egal: Benzin war Benzin. So schneller konnte, nahm er sich einen Kanister und hetzte wieder nach oben, wo zwar auch kein Tageslicht herrschte, aber die drückende Dunkelheit nicht so dominant war.
Ohne zu überlegen verteilte er das Benzin im Computerraum und nahm ein Zündholz hervor, das er neben einigen anderen Dingen, wie alten Münzen, einer dünnen Leine und einem Stift in der Hosentasche trug. Er zündete das dünne Holz an und blickte zufrieden auf sein bald vollendetes Werk.
Mit einer kleinen Bewegung warf er das Zündhölzchen in den Computerraum und vor seinen Augen entfachte es zu dem größten Feuer, das er jemals gesehen hatte.
In diesem Moment kam er wieder zu sich und starrte mit geweiteten Augen auf das Desaster.
„Ich muss hier weg“, sagte er zu sich und rannte so schnell er konnte aus dem Schulhaus. Er stieß dabei die Eingangstüre so heftig auf, dass er die Türe aus dem Schloss riss und das äußere Glas zerbarst. In diesem Moment ging der Alarm los.
„Nein, nein, nein!“, rief er laut, rannte zum parkenden Mercedes, sprang rein und Micha, der Fahrer düste davon.
Nach einigen Minuten des Schweigens, hielt Micha an einer roten Ampel und drehte sich zu Dany um, der auf dem Rücksitz saß und zu verstehen versuchte, was passiert war.
„Hast du das Feuer gelegt?“, fragte er. Danny hob den Kopf, aber sein Fahrer ließ ihm keine Zeit für die Antwort. „Ich wollte doch Feuer legen und du hast gesagt, das kriegen wir auch ohne hin! Warum hast du trotzdem Feuer gelegt!?“
„Weil ich alles vermasselt hab. Feuer nicht perfekt ist. Es ist Brandstiftung“, erklärte Danny und schüttelte den Kopf über sich. Die Ampel sprang auf Grün und Micha fuhr weiter, während er die Diskussion noch nicht begraben wollte.
„Wir wollten doch den perfekten Einbruch hinlegen! Und aus diesem Grund wolltest du ja auch rein!“
„Ich weiß“, murmelte Danny und wäre am liebsten aus dem fahrenden Auto gesprungen.
„Warum hast du Feuer gemacht?“
„Ich wollte was essen und dachte mir, dass ich über’m Feuer am besten was zubereiten kann.“
Micha warf einen bitterbösen Blick in den Rückspiegel. Danny sah wie der Blick von einer auf die nächste Sekunde verschwand.
„Was, wolltest du auch was essen und hast es erst jetzt gemerkt?“, scherzte Danny und der Scherz kam genauso raus, wie sich Danny fühlte: Doof.
„Die Bullen!“
Danny erstarrte und drehte sich um. Wenn etwas noch gefehlt hatte, bei ihrem fast perfekten Einbruch, so waren es die Bullen gewesen. Nun war er perfekt – in einem anderen Sinne.
„Na los, fahr schon“, drängte Danny seinen Fahrer und Micha gab sofort Gas, so dass jedes Polizeiauto auf sie hätte aufmerksam werden müssen. Mit heulenden Sirenen jagte das blau-weiße Auto hinter ihnen her. Leider war Multitasking noch nie Michas Stärke gewesen und bei alldem, was passierte, vergaß er den Verkehr vollkommen.
„Micha, pass auf!“, schrie Danny in Todesangst. Vor ihnen waren eine rote Ampel und eine Schlange Autos, die die Kreuzung sperrte. Micha drückte auf die Bremse, aber nichts hätte die beiden retten können.
„Wach auf, verdammt noch mal!“
Danny würde gerüttelt und schlug voller Schock die Augen auf. Noch spürte er die Hitze des Feuers, das sich auf ihm breit gemacht hatte und ihn hatte fressen wollten. Er atmete einmal tief durch und streckte sich kurz.
„Tut mir leid, ich bin einfach eingenickt.“
„Schon okay, aber wir starten jetzt.“
Danny nickte und stieg mühsam aus dem Wagen. „Totaler Mainstream“, dachte er, als er sich kurz an seinen Traum erinnerte. Er kontrollierte sein Baumwollhemd und lehnte sich an die Fahrertür.
Danny blickte auf den leeren, verschneiten Parkplatz. Der Kälteeinbruch hatte niemanden überrascht, wohl aber der Schnee. Mit einem weiteren Blick in die entgegengesetzte Richtung prüfte Danny die menschenleere Straße. Zufrieden mit sich und seiner Wahl klopfte er kurz an die getönte Scheibe des Mercedes, an den er sich gelehnt hatte und setzte sich in Bewegung. Hinter ihm startete das Auto den Motor und wendete elegant. Falls doch etwas schief gehen sollte, musste man schnell handeln können.
Den Traum hatte er längst wieder vergessen.

Autorin: Joleen Summer
Setting: Computerraum
Clues: Keksdose, Dünger, Kälteeinbruch, Baumwollhemd, Leine
Mehr über Joleen Summer sowie alle Links zu ihren Seiten findet ihr auf ihrer Gastautorenseite. Wir hoffen, die heutige Geschichte hat euch gefallen. Teilt sie doch mit euren Freunden auf den Social Media und schaut bei der Gelegenheit auf unseren Profilen vorbei, wo wir euch gerne mit mehr literarischer Unterhaltung begrüßen. Eine besondere Freude macht uns eure Unterstützung auf Patreon, die wir euch mit exklusiven Inhalten verdanken. Und wenn ihr möchtet, dass wir einen Beitrag nach euren Vorgaben verfassen, könnt ihr uns jederzeit Clues vorschlagen.

2 Gedanken zu „Gaststory | Ein fast perfekter Einbruch“

    1. Hallo Ann-Bettina,
      schön, dich zu lesen!

      Ja, da ist der Joleen eine interessante Kurzgeschichte gelungen, die sogar subtil mit Humor glänzt.

      Liebe Grüsse und die besten Wünsche
      Deine Clue Writer
      Rahel

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