Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
Schnaubend stapfte Inubort durch den knietiefen Schnee in die Höhle, in der ein Lagerfeuer prasselte, klopfte seine Stiefel ab und machte es sich auf einem flachen Stein bequem. „Saukälte da draußen, entsetzlich!“
Maurius schaute von seinem gepökelten Warium-Fleisch auf und musterte den stämmigen Zwergen. „Was ist, magst du keinen Schnee?“
„Natürlich nicht!“, empörte sich Inubort und suchte im Rucksack nach seiner Pfeife. „Wir Zwerge leben meistens in den Minen, da ist es dank der Lava gemütlich, ab und an auch schön rauchig, wenn in der Unterwelt Orks gegrillt werden.“
„Klar“, gluckste Maurius und schluckte. „Trotzdem, bei jeder unserer Reisen zu den weisen Greisen nörgelst du wegen dem Schnee. Es ist der Pass von Honerra, mein lieber Freund, hier liegt immer Schnee. Wer die Greise vor einer Abenteuerreise konsultieren will, muss ein bisschen Wetter halt aushalten.“ Er kräuselte die Nase und nuschelte: „Die Magier lieben nun mal die Thermalquellen da oben.“
„Wozu brauchen die Magier überhaupt warmes Wasser aus der Quelle?“, knurrte Inubort. „Haben die dafür keinen Zauberspruch?“
Maurius kratze sich am Kinn. „Was weiß ich? Die Magier sind mysteriös, vielleicht benötigen sie die Mineralien?“
Der Zwerg steckte seine Pfeife an und nahm einen tiefen Zug. „Tja, was soll’s. Hauptsache, sie geben uns Auskunft, ob unser Abenteuer, das legendäre Schwert des Ostens zu finden, unter einem guten Stern steht.“
„Werden sie, bislang lagen sie noch nie falsch.“ Maurius guckte nachdenklich in die Flammen. „Hm, sie werden sicher sagen, wir brauchen mehr Leute dafür.“
„Ich kann ein ganzes Bataillon meines Volkes rekrutieren, wenn es nötig ist.“
„Wahrscheinlich empfehlen die, dass wir einen Magier mitnehmen und geben uns dann den ältesten Greis mit, der am Stock humpelt. Die wollen das Schwert des Ostens bestimmt selbst sehen, das lässt sich niemand entgehen.“
Inubort verzog das Gesicht und zog einen Bierschlauch aus seinem Gepäck, der er halb leertrank. Erst nachdem er einen weiteren tiefen Zug von der Pfeife genommen hatte, stimmte er zu: „Vermutlich hast du Recht, so eine sagenumwobene Waffe wird jeder in Händen halten wollen. Es war das Zeichen der Kaiser unserer Vorfahren und du hast irgendwo die Karte dazu ausgegraben.“ Er klopfte Tabak von seinem Ärmel und seufzte. „Willst du mir eigentlich mal verraten, wie du dazu gekommen bist?“
„Hab sie gefunden“, gab der Mensch zur Antwort und lehnte sich zufrieden zurück. „So wie ein Abenteurer halt Dinge findet.“
„Aha, Abenteurer finden einfach so Schatzkarten, die seit Jahrhunderten als verschollen gelten?“, bohrte Inubort nach. „Wäre echt nett, würdest du mir ausnahmsweise davon berichten, woher deine Informationen kommen.“
„Och, von hier und da“, meinte Maurius süffisant. „Du schlachtest ein Ork-Camp und entdeckst eine Kleinigkeit, wirst von Goblins entführt, die sich laut unterhalten – das übliche Leben als Herumtreiber halt.“
Inubort kaute nun auch auf seinem gepökelten Fleisch herum, nickte resigniert und ächzte: „Dann lass es eben, du Geheimniskrämer“, bevor er zum Thema zurückkam: „Bist du sicher, wir müssen die Reise von den weisen Greisen absegnen lassen? Die Magier könnten uns das Schwert wegnehmen wollen.“
„Es ist der einzig sinnvolle Weg, ein Abenteuer zu planen. Die Zauberer kennen sich aus und wenn wir einen der rüstigeren Magier dabeihaben, ist der uns eine hilfreiche Verstärkung. Unterschätze die Alten nicht, mein Freund.“
„Na gut, na gut“, brummte Inubort. „Hoffentlich wird der nicht von den Goblins gefressen, die in den Höhlen auf dem Pass ihr Unwese…“
„Psst!“, unterbrach der Kamerad ihn, sprang behände auf und zog sein Schwert. „Ich höre etwas!“
Der Zwerg erhob sich ebenfalls und horchte angestrengt. „Ich nicht.“
Maurius schloss die Augen und schnaubte: „Goblins. Wie aufs Stichwort.“
„Na also“, rief Inubort aufgeregt aus und riss sein Schwert regelrecht aus der Scheide. „Jetzt erlebe ich endlich wieder, weshalb sie dich den Goblinschlächter nennen und kann dabei erst noch meine Muskeln trainieren. Sollen sie nur kommen!“
„Wir sind nahe am Ausgang, also lassen sie uns in Ruhe, Goblins mögen die frische Luft nicht. Sind sowieso zu viele für uns zwei.“
„Ich mag die frische Luft genauso wenig“, motzte Inubort, enttäuscht seine Waffe wegsteckend. Gerade als sich der Zwerg setzen wollte, legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter und eine fremde Stimme ertönte: „Man kämpft nicht zum Spaß mit Goblins, mein junger Freund.“
Mit einem erschrockenen Schrei warf Inubort sich zur Seite, Maurius umklammerte den Schwertgriff und drehte sich dem Fremden zu. Er stand einem alten Mann mit zerzaustem, weißem Bart gegenüber, der sich an einem langen Stock abstützte. „Ein Magier“, stellte er trocken fest. „Willkommen an unserem Lagerfeuer.“ Mit einem Seitenblick zu Inubort ergänzte er trocken: „Keine Bange, unser neuer Gast ist kein Goblin.“
Der Zwerg nickte und atmete tief durch, ehe er sich an den Neuankömmling wandte. „Mit wem haben wir die Ehre?“
„Ich bin Onisus vom Orden der Zauberkünstler von Honerra, erfreut eure Bekanntschaft zu machen.“
Die beiden Kameraden stellten sich vor, da wollte Maurius wissen: „Nun denn, edler Magier, was bringt dich von der Passhöhe zu uns Normalsterblichen ins Tal?“
„Wir haben eure Reise zu uns mit unserem sehenden Stein mitverfolgt.“ Der Magier gesellte sich zu ihnen ans Lagefeuer und zeigte mit dem Stock auf Inubort. „Der Krieger vom Volk der Zwerge hat sich so oft über die Route beschwert, dass ich entschied, euch entgegenzukommen.“
Inubort stupste den Menschen an und lachte, sein Echo dröhnte unangenehm durch die Höhle. „Siehst du? Und da behauptest du ständig, meckern sei ein zwecklos!“ Ehe der Mensch zu Wort kam, erhob sich Inubort euphorisch und deutete in die kalte Winternacht vor dem Eingang: „Los, wir haben den weisen Greis, damit ist unsere Gruppe voll. Holen wir uns das legendäre Schwert, bevor die Fährte kalt wird.“
Der Magier und der Abenteurer beäugten ihn mit erhobenen Augenbrauen und schüttelten die Köpfe, ehe Maurius das Offensichtliche feststellte: „Die Karte ist vierhundert Jahre alt – wir haben es nicht so eilig, mein Freund.“