Werte Clue Reader
Heute haben wir im Clue Writing Interview Henri Pose zu Gast, in dessen Bibliographie sich Krimi- wie Hamburg-Liebhaber wohlfühlen werden. Mit seinem Debütroman, dem Thriller „Eridanos“, betrat er noch als Abiturient die Selfpublisher-Bühne und veröffentlicht seit 2016 im Hause Midnight by Ullstein. In seiner bislang zweiteiligen Krimi-Reihe um den Privatdetektiv David Brügge präsentiert und Henri Pose neben gekonnt ausgearbeiteten Figuren ebenso hanseatisches Lokalflair, gewürzt mit Erinnerungen an den Film Noir. Sein dezent fliessender Schreibstil verspricht wenig Ablenkung von den Kernstücken seines literarischen Schaffens und trägt die Handlungen in eine Richtung, die sich dem Leser nicht gleich auf Anhieb erschliesst. Und dabei lassen sich die beiden Hamburg-Krimis „Der letzte Schwan“ und „Mord an der Alster“ durchaus auch als eigenständige Werke geniessen.
Henri Pose ist eingefleischter Hamburger und sah sich bereits in seiner Kindheit und Jugend zum Schreiberling berufen. Seine literarische Inspiration findet er in den Zeilen von Bret Easton Ellis, Steve Tesich und Charles Bukowski. Alles weitere, wird euch Henri Pose selbst verraten.
Wie immer, stets und üblich wollen wir zum Einstieg mit einem kurzen hamborger Snack beginnen und wie du dir denken kannst, si mir koomisch redendi Schwiizer gspannt uf linguistischi Ussergwöhnlechkeit. Willst du uns als wahrer Hanseat einige sprachliche Kuriositäten beibringen (Schimpfworte sind natürlich sehr willkommen)?
So eine gemeine Frage gleich zu Anfang? Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich kein Platt spreche. Was in Frankfurt allerdings für Gelächter gesorgt hat, waren „Dösbaddel“ und „Bangbüx“.
Dir lässt sich vielleicht einiges vorwerfen (wir wissen es nicht), hohes Alter und Schreibfaulheit aber bestimmt nicht. Bereits während deiner Schulzeit hast du deinen ersten Roman, „Eridanos“ verlegt und später durften sich deine Leser über eine Krimireihe freuen.
Wir sprechen heute also mit einem jungen Vielschreiber und wir fragen uns, ob es vor deinem ersten Werk bereits andere Schreibabenteuer gegeben hat?
Lesen und Schreiben waren für mich schon immer zwei Hobbys, die untrennbar miteinander verbunden sind. Deswegen gab es natürlich auch schon einige Bücher, die ich geschrieben habe, bevor eins verlegt wurde – wir eitlen Schriftsteller sprechen bloß nicht darüber. Aber so unter uns: „Der letzte Schwan“, erster Teil der Krimireihe, hat mich bestimmt fünf oder sechs Versuche gekostet.
Wir wollen uns heute in erster Linie auf deine Krimi-Reihe, insbesondere auf „Mord an der Alster“ konzentrieren, möchten deinen Thriller „Eridanos“ allerdings nicht komplett vergessen.
Wie siehst du denn deinen Erstling heute?
Zu der Zeit, als die Idee zu Eridanos entstand, war ich begeistert von Filmen wie „Mullholland Drive“ oder Büchern wie „Shutter Island“ – soll heißen: Am Ende der Geschichte wollte ich den ganz großen Plottwist und den Leser dazu animieren, das Buch noch einmal zu lesen und dieses Mal mit ganz anderen Augen zu betrachten. Ich begann also unter diesen Einflüssen zu schreiben und heraus kam ein Thriller namens „Eridanos“, der viel Symbolik enthält und am Ende zulässt, das Gelesene auf acht verschiedene Weisen zu interpretieren.
Von den Lesern bekam ich überwiegend positive Resonanzen, weil sie so etwas noch nie erlebt hatten – das war übrigens auch ein großer Ansporn, weiter zu schreiben. Rückblickend gibt es aber Dinge, die ich heute anders schreiben würde. Das reicht von Formatierung und Layout – denn damals lektorierte ich noch selbst, weil das Konzept für die meisten Verlage zu spleenig war – bis hin zur Sprache, die sich inzwischen natürlich weiterentwickelt hat. Alles in allem muss ich aber sagen, dass ich sehr zufrieden auf dieses Buch zurückschaue und mich freue, meinen literarischen Einstand mit einem Buch geliefert zu haben, das sich ohne allzu negativen Beigeschmack „besonders“ nennen lässt.
Wer sich deiner Krimi-Reihe annimmt, lernt den schlagfertigen Privatdetektiv David Brügge kennen und das mitnichten oberflächlich. Du arbeitest deinen Protagonisten detailverliebt, jedoch nicht verklärt aus, sondern zeigst deinen Lesern einen schonungslosen Einblick in die Gedankengänge eines gewitzten, aber auch ruhelos und auf vielerlei Art fehlerbehafteten Menschen – genau diese Ecken und Kanten machen ihn schlussendlich realistisch.
Käme ein glatter Typ wie beispielsweise ein James Bond für deine Romane in Frage?
Ich bin ein riesiger Fan von Ian Flemings Arbeit und gerade im Erstling „Casino Royale“ ist Bond ein Charakter, der wahnsinnig gut geschrieben wurde. In meine Bücher würde er allerdings tatsächlich nicht wirklich reinpassen. Wenn ich schreibe, dann ist das Innenleben meiner Charaktere mit das wichtigste für mich. Sie müssen sich stetig weiterentwickeln und neue Seiten an sich entdecken, um gegen die Gefahren bestehen zu können – ein Bond hingegen ist ein recht starrer Charakter. Wenn ich über ihn schreiben würde, würde ich erzählen wollen, wie er zu dem Mann wurde, der er zu Anfang der Reihe ist.
Ab und zu könnte deine Krimireihe unter dem Titel „David Brügge und die Frauen“ stehen. Ob es nun die Freundin ist, welche ihn vor kurzem verlassen hat, die Verflossene, die mit seinem guten Freund glücklich wurde oder die ambitionierte Journalistin, Maria, an deren Seite er an der Aufklärung eines Mordfalls arbeitet – Frauen beschäftigen deinen Detektiv sehr und häufig sind sie die treibende Kraft hinter seinem Handeln.
Wieso hast du dich aus der grossen Auswahl an Motivationsgründen für diesen entschieden?
David Brügge ist für mich ein getriebener Charakter, dessen Job es verlangt, dass er sich in Situationen begibt, die tiefe Wunden hinterlassen, seelisch wie körperlich. Also fragte ich mich: Was für ein Mann würde so ein Leben leben wollen? Einer, der nichts zu verlieren hat, aber eine tiefe Leere der Traurigkeit und Einsamkeit zu füllen hat.
Die zielstrebige Frau, der getriebene Mann, kernige Typen, gerissene Akteure und verschleierte Absichten … Wir kommen nicht umhin, uns von deiner Krimireihe an das klassische Schwarz-Weiss eines Film Noirs erinnert zu fühlen.
Ist das fatale Absicht deinerseits oder eine glückliche Wendung?
Ganz klar Absicht. Wegen Raymond Chandler und Dashiell Hammett habe ich ehemals angefangen, Krimis zu schreiben. Die beiden bekanntesten Autoren der Film Noir-Vorlagen haben wohl abgefärbt. Ich habe mir meinen Protagonisten David Brügge schon immer als moderne hamburger Interpretation von Philip Marlowe vorgestellt.
Da wir uns schon mit dem Charakter-Design befassen, darf nicht unerwähnt bleiben, dass du selbst kleineren Nebenrollen mit viel Bedacht Leben einhauchst.
Wie wichtig ist es dir, dass der Leser sich für deine Nebencharaktere interessiert, sich fragt, was die werten Damen und Herren nach ihrem Auftritt in deinen Texten anstellen?
Ich bin selbst jemand, der über die Nebencharaktere in Büchern und Serien alles herausfinden möchte, was es herauszufinden gibt. Teilweise finde ich sie sogar interessanter als die Hauptcharaktere. Mir war es wichtig, etwas zu schreiben, was mir selbst gefallen würde, denn nur dann kann es den Lesern gefallen. Mich ergreift eine fiktive Welt nur dann, wenn sie von vielen interessanten Charakteren bevölkert wird, auch wenn nicht alle tragende Rollen in dieser Geschichte übernehmen können – genau wie in der Realität eben.
Sprechen wir über den wortwörtlich grössten Charakter in deinen Texten: Hamburg. Wir hatten bereits angetönt, dass du in der Hafenstadt aufgewachsen bist die Atmosphäre der turbulenten Metropole ist auf jeder Seite präsent.
Welche Vorteile hast du, wenn du deine Geschichten an dir bekannten Orten spielen lässt und gibt es dabei vielleicht auch Nachteile?
Bekannte Orte geben mir als Schriftsteller sehr viel Sicherheit, da man nicht so viel recherchieren muss wie bei welchen, die einem unbekannt sind – logisch – und sich andererseits auch nichts ausdenken muss. Das ist oftmals nämlich viel schwerer, als man zunächst denkt, weil man sich die Orte sehr genau vor Augen führen und aufpassen muss. Sonst unterlaufen einem schnell Fehler à la „Sie betrat die Kathedrale durch das Südtor und wurde von der Sonne geblendet, die durch das gegenüberliegende Fenster schien“.
In „Der letzte Schwan“ ist unglaublich viel Recherchearbeit geflossen, da die Handlung zum Großteil an realen Orten spielt, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind – ich bin ein großer Fan von geschlossenen Luftschutzbunkern und vergessenen U-Bahn Linien, musst du wissen. Die Arbeit war super spannend, ich habe tolle Menschen kennengelernt und viel über meine Heimatstadt erfahren, was eigentlich kaum einer weiß. Jedoch habe ich diese Herangehensweise gleichzeitig als limitierend empfunden, da ich weiß, dass viele Leser an solchen Stellen absoluten Realismus erwarten und ich kein falsches Wissen vermitteln möchte. Dabei ist das tolle daran, Krimi-Autor zu sein – im Vergleich zum Polizeireporter zum Beispiel – doch gerade, dass ich mir Dinge ausdenken darf, landläufig auch lügen genannt, um die Erzählung spannender und besser werden zu lassen, als die Realität je sein könnte.
„Mord an der Alster“ spielt deswegen an Schauplätzen, die jedermann zugänglich sind – erweitert durch eine Menge Geheimnisse und verbotene Orte, bei denen ich mir wiederum mehr kreative Freiheit gelassen habe, um eine bessere Geschichte zu erzählen. Ich habe den Großteil der Szenen vor Ort an den Schauplätzen geschrieben und mich von denen inspirieren lassen. So saß ich beispielsweise an der Kennedybrücke, wo eine Verfolgungsjagd endete, und fragte mich: „Wohin geht es von hier aus weiter? Das ist eine Sackgasse.“ Dann sah ich eine kleine Metalltür und fragte mich, wohin die bloß führen mochte – ab dem Punkt schrieb sich die Szene fast von selbst. Diese Vorgehensweise hat der Atmosphäre merklich gut getan.
Bleiben wir doch gleich bei dem Stimmungsvollen, denn davon gibt es reichlich in deinen Werken. Deine Stilistik lässt Raum für Atmosphärisches, trotzdem erschlägst du deine Leser nicht mit langen Beschreibungen.
Baust du deine Sprache oder deine Szenen gezielt darauf auf?
Ich finde Schlichtheit oft atmosphärischer als ausladende Beschreibungen. Ich glaube, dass das Bild, das ein Leser von einem Charakter vor Augen hat, sehr viel stärker ist, wenn er ihn einfach erlebt, als wenn ich schreibe: „1,80m groß, grüne Augen, hellbraune Haare und eine Nase mit zwei Löchern.“ Als Leser empfinde ich so was eher als störend.
Hier unterhalten sich detailverliebte Menschen, uns fällt nämlich auf, dass du ein besonderes Augenmerk auf Kleinigkeiten legst. So sprichst du nicht vom schnöden grauen, sondern vom paynesgrauen Anzug und streust bei der Gelegenheit gleich etwas Hintergrundwissen aus der Malerei ein. Und das ist nur eines von zahlreichen Beispielen.
Wir schwärmen für exakte Farbenvielfalt aller Art und wollen von dir wissen: Liegt dir die schreiberische Genauigkeit oder muss sie kleinlich geplant werden?
Wenn ich anfange, ein Buch zu schreiben, weiß ich meist nichts über die Charaktere – das ist das Los eines Exploring Writers im Gegenzug zum Outliner, der alles minutiös plant. Um mich in die Welt hineinzufühlen und und in der Geschichte zu versinken, während ich schreibe, muss ich bestimmte Dinge vor Augen haben, die mir dabei helfen. Wenn du dir vorstellst, dass ein Mann seine Anzüge bewusst in Paynesgrau kauft – in der Farbe, die Künstler seit Jahrhunderten für die Schatten in Ölgemälden verwenden –, dann sagt das eine Menge über diesen Mann aus. Aber ja, diese Details kommen spontan.
Der Crux eines Krimis ist stets die Jagd nach Wahrheit. Er beginnt mit einem Verbrechen und führt über Irrungen und Wirrungen zur ersehnten Auflösung. Im realen Leben ist diese Suche trotzdem ziemlich linear – man beginnt beim Unwissen, stöbert nach Indizien, findet Beweise und schnappt schlussendlich die Verantwortlichen.
Für einen Krimiautoren ist das vermutlich anders, weshalb wir uns wundern, wo deine Suche zur perfekten Kriminalstory beginnt.
Für mich beginnt sie ganz klar bei den Charakteren. Es gibt einen berühmten Vergleich, der besagt, ein Buch sei wie eine Autofahrt. Das Auto (der Plot) bringt dich vom Anfang zum Ende, während die Insassen (die Charaktere) bestimmen, welchen Weg sie nehmen. Ich finde den Vergleich tatsächlich sehr passend, da die Fahrt auch im Ferrari unerträglich sein kann, wenn du nur den richtigen bzw. den falschen Beifahrer hast. Außerdem: Egal, wie atemberaubend die Landschaft ist, auf langen Fahrten passiert oft viel mehr im Inneren des Autos als draußen. Gerade dann, wenn einander unbekannte Menschen mit ganz eigenen Zielen aufeinander treffen und auch angewiesen sind. Nur einer kann lenken, während ein anderer die Straßenkarte studiert und vielleicht falsche Wegangaben macht … Du ahnst, worauf ich hinauswill. Die Konflikte entspinnen sich zwischen Menschen, nicht zwischen den Schauplätzen und dem Erzähler. Dreh- und Angelpunkt in meinen Büchern sind also immer die Charaktere und meist starte ich damit, einfach über sie zu schreiben und sie bei alltäglichen Tätigkeiten zu begleiten, um sie selbst näher kennenzulernen. Meist passiert nach dreißig bis vierzig Seiten etwas Unvorhergesehenes und daraus entspinnt sich dann ein spannender Plot. Der Anfang wird dann so weit gekürzt, dass der Leser nichts davon mitbekommt, dass ich mit dem Protagonisten vorab schon mal heimlich einkaufen war.
Wenn wir schon beim planerischen Teil des Schreibens sind, möchten wir unsere Neugier auf ein grosses Unterfangen richten: Das Verfassen einer Buchreihe. Obschon deine beiden Werke „Der letzte Schwan“ und „Mord an der Alster“ sich durchaus auch alleine lesen lassen, folgen sie demselben Protagonisten, der natürlich konsistent bleiben soll.
Finden wir in deiner Schreibkammer stapelweise Notizbücher, ein riesiges Whiteboard oder sonstige Utensilien, die dir beim Ausmerzen von Widersprüchen helfen?
Schriftsteller teilt man grob in Outliner und Explorer ein, also solche, die sich eine Geschichte haarklein zurechtlegen, bevor sie ein einziges Wort schreiben, und solche, die sich in die Geschichte hineinstürzen und alles hautnah miterleben. Ich gehöre zur letzteren Sorte und gerade für mich ist es deswegen wichtig, den Überblick zu behalten. Das tue ich durch Unmengen von Dokumenten auf meinem Computer, vollgekritzelte Zettel und – ja, tatsächlich – durch das Whiteboard an meiner Wand.
Ein Grossteil der Menschen, die dieses Interview lesen, sind Kinder des Internets. Wir kennen das Gute, das Schlechte und das Hässliche dieses Mediums und wissen, wie unverzichtbar es bei der Recherche für gute Texte geworden ist.
Inwiefern ist dieser Fundus aus (Halb-)Wissen Pluspunkt für deine Arbeit als Krimiautor und wie ist es für dich, dass deine Leser deine Ideen kurzum auf ihre Realitätsnähe überprüfen können?
Ich empfinde das Internet als Recherchemöglichkeit als große Erleichterung, zumal man bei aller Kritik zugutehalten muss, dass auch Fachbücher schon Halbwissen vermittelt haben und das Internet die Möglichkeit bietet, die Rechercheergebnisse ganz flott empirisch zu überprüfen. Allerdings gibt es auch Fragen, die einem das Internet nicht oder erfahrungsgemäß falsch beantwortet. Zumeist sind das Details aus der polizeilichen oder medizinischen Praxis – egal, ob du nach Ohrenschmerzen oder Husten googlest, letztendlich ist es immer Krebs. Im ersten Teil meiner Krimi-Reihe habe ich mir bei diesen Themen recht viele Freiheiten erlaubt, während ich für „Mord an der Alster“ beispielsweise einen guten Freund zurate gezogen haben, der kurz vorm Abschluss seines Medizinstudiums steht und mir mit Rat und Tat zur Seite stand.
Medizinischen Details sollen oftmals wahrheitsgemäß geschildert werden, während ich meine Leser als recht verzeihend kennengelernt habe, was kleinere Flunkereien angeht. So wurde in „Der letzte Schwan“ Minuten lang eine Straße entlanggefahren, die in Wahrheit nur etwa hundert Meter lang ist, und in „Mord an der Alster“ wollte ich dem Leser ein bestimmtes Restaurant zeigen, für das die Protagonisten mal eben einen zwanzig Kilometer langen Umweg in Kauf nehmen. Nur die wenigsten Leser verfolgen jedoch die Fahrtrouten auf Landkarten und wenn sie es tun und solche kleinen Kunstgriffe finden, freuen sie sich meist eher – und ich freue mich über die Entdeckung solcher bewussten Skurrilitäten.
So, wir sind jetzt einfach mal so frech, üben uns im hypothetischen Verbieten und untersagen dir, einen weiteren Krimi oder Thriller zu schreiben. Welches Genre wird es werden?
Ganz klar: Ein Coming-Of-Age-Roman. Ein letzter Sommer mit 17, die erste Liebe, Freundschaften brechen auseinander – am Ende vermischt sich dann der wehmütige Blick zurück mit dem gespannten Blick nach vorn. Es gibt einfach Bücher, die man nur so lange kitschig nennen kann, bis man selbst auf der letzten Seite Tränen in den Augen hat – und so eins würde ich wohl schreiben.
Nach der Lektüre deiner Werke ist jedem Leser klar: Du magst Film, Musik, Literatur, ja, man darf behaupten, Kultur im Allgemeinen. Wer mal achtgibt, entdeckt nämlich bekannte wie unbekannte Namen sowie Anspielungen auf Klassiker wie Modernes.
Wir krönen dich jetzt zum grössten Influencer in den Weiten des Internets und möchten erfahren, welches kulturelle Vergnügen du deinen Fanhorden unbedingt nahelegen möchtest.
Da ich die ganz große Literatur schätze, empfehle ich gern „Die Millionärsformel“ von Carsten Maschmeyer. Spaß beiseite: Ich freue mich immer, wenn das auffällt. Charakter- und Kapitalnamen, auch einige Äußerungen, sind gerne mal unterschwellige Empfehlungen. Die sind bewusst unterschwellig gehalten, denn niemand mag es, wenn der Autor ihm förmlich ins Gesicht schreit: „Hör die Musik, die ich gut finde!!!“
Wenn du mich so fragst, habe ich eine dreiseitige Liste im Kopf, aber die würdest du vermutlich nicht im Interview haben wollen, richtig? Dann twittere ich jetzt einfach mal frei von der Leber: „Lest Mystic River von Dennis Lehane oder ich blockiere euch auf Pinterest!“
Maria nimmt in „Mord an der Alster“ eine zentrale Rolle ein und übt als Reporterin einer kleinen Zeitung Kritik an der journalistischen Landschaft. Ein Thema, das in Zeiten der „Fake-News-Schlagzeilen“, „Click-Bait-Skandale“ und der generellen Populismus-Debatte einen Nerv trifft.
Sind deine Romane für dich auch eine Bühne auf der du Position beziehst, oder dienen solche Themen ausschliesslich dem Plot?
Das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, da ich aus verschiedenen Gründen – du hast gerade schon ein paar sehr wichtige angesprochen – die momentane journalistische Landschaft als verbesserungswürdig empfinde. Natürlich geht es meist um Internetportale, die ihre journalistische Sorgfaltspflicht verletzen, aber auch viele Vertreter der Printmedien, die ich früher sehr gut fand, lassen sich in ihren digitalen Präsenzen inzwischen gerne auf ein Niveau herab – Stichwort Click-Bait –, das ihnen auf lange Sicht nicht gut tun kann. Dahinter steht natürlich der Druck der reinen Internetnewsportale und die daraus resultierende bedrohliche Wirtschaftslage des Printbereichs inklusive digitaler Ableger. Ich habe das Gefühl, dass sich hier dringend etwas tun muss. Je mehr sich die alteingesessene mediale Landschaft selbst diskreditiert, desto einfacher wird es nämlich für Populisten – mit im Zweifelsfall sehr seltsamen Frisuren –, Wahrheiten als Lügen zu verkaufen.
Aber: Das ist meine Meinung. Mir ist es wichtig, in meinen Büchern Themen anzusprechen, die von tatsächlicher Relevanz sind. Allerdings nur, sofern die Geschichte es hergibt. Wenn den Leser das jeweilige Thema interessiert, ist er gleich mit Protagonisten mit verschiedenen Auffassungen konfrontiert und kann sich mit dem Thema nach der Lektüre selbstständig intensiver auseinander setzen. Wenn nicht, geht die Handlung zwei Zeilen darunter weiter. Ich möchte niemandem meine Meinung aufzwingen, politisch werden oder zwingen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die sie oder ihn nicht interessieren. Letztlich geht es darum, ein spannendes und vor allem gutes Buch zu schreiben.
Wir machen weiter mit den vermeintlichen Kontroversen … Deinen ersten Roman „Eridanos“ hast du im Selbstverlag veröffentlicht, heute schreibst du bei Midnight by Ullstein. In der Literaturszene lassen sich teilweise gar wilde Diskussionen über das Für und Wider von verschiedenen Publikationsmodellen beobachten und du hast beides erlebt.
Willst du uns von deinen Erfahrungen berichten?
Ich finde es super, einmal die Erfahrung als Selfpublisher gemacht zu haben, da man nur so erfahren kann, wie viel Arbeit hinter dem Veröffentlichungsprozess steht. Außerdem gerät man so in den direkten Kontakt mit den Lesern, den ich beibehalten habe und jetzt nicht mehr missen möchte. Allerdings ist es letztlich auch eine Zeitfrage und ein großer Verlag hat in der Regel mehr Möglichkeiten als man selbst – vor allem, wenn man nicht aus der Branche kommt. Ich fühle mich momentan also sehr wohl unter dem Dach des Ullstein Verlages.
Wer dein Autorenprofil durchforstet erfährt, dass du eine Zeitlang nebenbei gebloggt hast und heute betreibst du auf deiner Seite einen noch wachsenden Blog. Das Bloggen erfreut sich unter Autoren grosser Beliebtheit und wird hin und wieder dazu genutzt, den Leser am Entstehungsprozess eines neuen Werks teilhabenzulassen. Du hingegen teilst vorwiegend deine Meinung zu Literatur, Film und Musik.
Wo siehst du die Zukunft deines Blogs?
Da hast du einen Nerv getroffen, denn den Blog behandle ich nach meinem Gefühl im Moment noch etwas stiefmütterlich. Für die Zukunft stelle ich mir Essays und Buch- und Musikempfehlungen vor. Problematisch ist dabei, dass ich niemand bin, der sich einen guten Text „aus dem Kreuz leiern“ kann, wie man so schön sagt, und auch keiner, der einfach irgendein Buch empfiehlt, damit auch ja jeden Sonntag ein neuer Post kommt. Es läuft eher so, dass ich ein Buch gelesen habe, das mich so sehr bewegt und beeindruckt hat, dass ich etwas darüber schreiben muss und so entstehen dann die Artikel. Aber auch wenn die Artikel bisher unregelmäßig erschienen sind, kündige ich sie über Facebook an. Es braucht also niemand meine Website zu stalken, bis der nächste Artikel kommt – und ja, er kommt.
Nun soll es kurz vor Schluss nochmal ernst werden. Die Buchbranche ist hart umstritten, Verlage wie Autoren kämpfen um die Gunst der Leser und es bleibt schwierig, aus der Masse zu stechen.
Wir zählen jetzt bis drei, dann erzählst du unseren werten Damen und Herren Lesern, weshalb sie ausgerechnet dir Aufmerksamkeit schenken müssen. Eins. Zwei. Drei!
Krimis sind in unfassbarer Masse auf dem Buchmarkt zu finden, aber meinen Büchern wird nachgesagt, sowohl anders als auch sehr gut zu sein. Reicht das für einen Augenblick der Aufmerksamkeit?
Das Interviewende hat sich gewitzt an uns herangeschlichen und jemand hält dir ein gebogenes Trüffelmesser an die Kehle. Jetzt musst du schnell handeln und uns vor deinem spektakulär-fingierten Tod verraten, welcher bekannte Charakter aus Film oder Fernsehen dein Ende sein wird.
Das Messer hält Patrick Bateman, während Morgan Freeman meine letzten Gedanken vorliest. Und das schreibe ich in der Hoffnung, dass ich etwas Klügeres denke als „Oh, shit!“.
Wir von Clue Writing möchten uns herzlich bei Henri Pose dafür bedanken, dass er sich Zeit genommen hat, sich unseren neugierigen Fragen zu stellen. Ebenfalls möchten wir allen Krimiliebhabern sowie jenen, die es noch werden wollen, einen ausgiebigen Blick auf Henris Arbeit empfehlen. Wer neben unterhaltsamen Handlungen, Geheimnissen und dem verworrenen Weg zu Wahrheit auch realistische Charaktere und zu schätzen weiss, wird in seiner Bibliographie mit Sicherheit fündig werden.
Wir wünschen Henri Pose weiterhin so viel Schreibmotivation und Erfolg mit seiner Arbeit.
Besucht Henri Pose auch auf seinen Seiten:
Blog
Facebook
Instagram
Vielen lieben Dank an Henri Pose und an unsere werten Leser
Eure Clue Writer
Rahel und Sarah
***
Dieses Interview wurde von Rahel geführt.