„Ich hab‘s!“, ruft David und wirft Zoe das Papierbällchen zu, das er in der letzten Viertelstunde aus dem Blatt mit der Liste geformt hat. „Wir machen eine Mischung aus Märchen und Science Fiction.“
„Haha“, lacht Zoe. „Dann erzähl mal, wie du dir das vorstellst.“
„Wir befinden uns in einer Märchenwelt und fügen ihr einfach noch das Internet hinzu. Dann lassen wir einen Prinzen online Katzenfutter bestellen. Doch weil der Internetbrowser mitten im Zahlungsvorgang abstürzt, muss er das Futter auf dem Markt kaufen gehen. Also lässt er ein Pony satteln und reitet los. Doch unterwegs ist der Weg plötzlich versperrt, weil es einen Felssturz gegeben hat und eine ganze Felsformation nun auf der Straße liegt. Dummerweise hat er nicht seine Rüstung, sondern ein Sommerkleidan, weshalb es für ihn nicht infrage kommt, über die Felsen zu steigen. Doch da nähert sich auch schon die Rettung, als eine holde Prinzessin in Kampfmontur auf ihrem hohen Ross die Stelle erreicht. Sie trägt den Prinzen über die Felsen und spaziert daraufhin mit ihm zum Markt, wo sie sich zwischen Zwiebeln, Blumen und Katzenfutter verlieben. Süß, nicht?“
„Ganz süüüüss!“, murmelt Zoe und verdreht die Augen. „Ich sehe da nur zwei klitzekleine Probleme. Erstens: Hat der Prinz wirklich nur einen einzigen Computer zur Verfügung? Könnte er sich nicht einfach an einen anderen Computer setzen, auf dem der Browser nicht dauernd abstürzt? Zweitens: Warum reitet ein Prinz selbst zum Markt, um Futter für seine Katzen zu kaufen? Hat er nicht Bedienstete, die das erledigen können?“
David schüttelt den Kopf und meint: „Er ist halt ein selbstständiger Prinz. Außerdem würde man in der Märchenwelt das Internet nicht von einem Computer aus bedienen, sondern mit einem Zaubergerät. Einem Spiegel beispielsweise. Und im ganzen Schloss hat nur der Prinz ein solches Gerät.“
„Ungefähr so?“, fragt Zoe, steht auf, nimmt ihr Smartphone in die Hand, schaut darauf und sagt mit übertrieben ernstem Gesichtsausdruck: „Spieglein, Spieglein in der Hand, öffne mir das Browserland!“
„Hahaha, ja genau!“, grunzt David und nimmt sein Smartphone ebenfalls zur Hand. „Spieglein, Spieglein … hahaha!“
Zoe überlegt einen Moment und bemerkt dann: „Wenn wir das Internet aber von Zaubergeräten abhängig machen, ist das noch Science Fiction?“
David wendet seinen Blick vom Smartphone zu Zoe. „Vermutlich nicht, dafür hätten wir eine abgerundete Geschichte, in der alle Elemente vorkommen, die auf der Liste stehen.“
Die Liste! Jene absurde Liste, welche ihre Regisseurin Linda vor zwei Stunden auf Davids Schreibtisch gelegt hat und dazu bloß sagte: „Ich mache mir jetzt einen gemütlichen Nachmittag, während ihr mal zeigen müsst, was ihr könnt. Bis heute Abend erwarte ich einen produktionsreifen Plot, in dem alle Dinge auf dieser Liste vorkommen.“ Also sitzen die beiden Drehbuchschreiber nun da und grübeln.
Plötzlich leuchten Zoes Augen auf. „Was, wenn wir die Geschichte in den Weltraum verlagern? Eine Gruppe von Menschen, die in einem Raumschiff umherreisen, treffen auf dem Weg vom Mond zum Mars auf ein Pony, das einfach so im Raum schwebt. Sie nehmen es bei sich auf, aber schon bald stellt sich heraus, dass es nur Katzenfutter essen will. Davon haben sie jedoch nicht genug auf dem Schiff, weshalb sie auf dem Mars einen Zwischenstopp beim Weltraumkaufhaus einlegen müssen, das an eine Felsformation angebaut ist. Doch in dem Kaufhaus frisst das Pony ein Sommerkleid. Daraufhin wird es so furchtbar krank, dass sie einen Tierarzt brauchen, es aber weit und breit keinen gibt. Also wollen sie über das Internet einen Arzt auf der Erde verständigen, aber der Internetbrowser will nicht starten. Schließlich bauen sie ein neues Gerät, das ohne Browser auskommt.“
„Oder wie wär’s, wenn einem Besatzungsmitglied, das über das Internet ein Sommerkleid bestellen will, der Internetbrowser abstürzt?“, fragt David.
„Nein, das ist lahm. Das hatten wir in der vorigen Geschichte schon. Mir gefällt das kranke Pony besser.“
„Ich sehe da nur zwei klitzekleine Probleme“, entgegnet David, Zoes Tonfall nachahmend. „Erstens …“
„Wie kommt das Pony in den Weltraum und wie hat es überlebt? Und wie kommt der Arzt rechtzeitig zum Mars? Braucht es dazu nicht spezielle Raumschiffe?“
„Nein, eine viel dringlichere Frage finde ich: Wie kommt das irdische Internet auf den Mars?“
„Pffff“, murmelt Zoe. „Ich denke mal durch irgendeine Verbindung zu den Satelliten, die um die Erde kreisen.“
„Aber wie lange brauchen die Signale zwischen Mars und Satelliten? Sind sie schnell genug, um einen Notarzt verständigen zu können?“
„Das müssten wir zuerst recherchieren. Falls sich herausstellen sollte, dass sie zu lange brauchen, führen wir einfach Warpsignale ein.“
„Einverstanden. Und wie kommt das Pony in den Weltraum?“
Um achtzehn Uhr betritt Linda das Arbeitszimmer wieder und muss lächeln, als sie die vielen zerrissenen und zerknüllten Notizpapiere sieht, die auf den Schreibtischen und sogar auf dem Boden verstreut liegen. David und Zoe jedoch sehen alles andere als zerknüllt aus. Sie sitzen beide zurückgelehnt auf ihren Stühlen, grinsend, mit den Füßen auf den Tischen.
„Dann präsentiert mal“, befiehlt Linda mit einem Augenzwinkern und deutet David an, er solle ihr seinen Stuhl überlassen.
Er und Zoe stehen beide auf und stellen sich vor seinen Schreibtisch. Linda macht es sich im Stuhl auf die gleiche Weise bequem, wie es die beiden anderen zuvor getan hatten.
„Wir haben uns etwas ganz Spezielles ausgedacht“, meint David und klatscht nervös mit den Händen.
„Zuerst entwickelten wir eine lahme Geschichte mit einem Prinzen und einer Prinzessin. Und mit Zauberspiegeln, auf denen man im Internet surfen kann und solches Zeug“, erklärt Zoe. „Und danach eine nicht weniger lahme mit einem Pony im Weltraum, das nur Katzenfutter und Sommerkleider frisst.“
„Aber zuletzt kamen wir dann endlich auf etwas wirklich Verrücktes“, kündigt David mit einem Grinsen im Gesicht an.