Diese Story ist auch als Hörgeschichte und in einem Sammelband erschienen.
Diese Geschichte spielt im erweiterten Universum der „Promise“-Reihe.
„Holz? Ist das dein Ernst?“, fragte Stanley, als er neben seiner besten Freundin durch den eisigen Wind hastete, vorbei an einem Schild, das vor akuter Lawinengefahr warnte. Über ihnen türmten sich die wolkenverhangenen Gipfel einer Bergkette auf.
„Ja, Holz“, bestätigte Natala humorlos und zog ihre dünne Lederjacke enger um sich. Ihr Sternenschiff, die Promise, war bereits nach einigen Schritten im Schneegestöber unsichtbar geworden, die Blockhäuser der Siedlung kaum zu erkennen. Entschlossen, möglichst schnell ins Warme zu kommen, hielt das Duo auf das größte Gebäude, in dem offenbar die Spelunke des Ortes untergebracht war, zu und hastete ins Innere. Im Eingangsbereich blieben sie stehen und wischten sich die Schneeflocken von den Klamotten. Durch einen dicken Vorhang drang Musik, in der Bar herrschte offensichtlich eine gelassene Stimmung.
„Bevor wir reingehen und uns über den Lärm nicht mehr hören“, begann Stanley, „Wir liefern Whisky in dieses Kaff, klar. Aber wieso genau nehmen wir Holz mit auf dem Rückweg? Kann man das schmuggeln?“
„Vermutlich schon. Ist eine Holzfällersiedlung, sonst gibt es nix von da wegzutransportieren.“ Natala zuckte mit den Schultern. „Immerhin ist unsere Fracht für den Rückweg legal.“
„Na, wenigstens ist’s warm. So warm, wie diese Hütte geheizt ist, bekomme ich gleich einen Schweißausbruch“, meinte Stanley trocken. „Und einige blaue Flecken, wenn sich die besoffenen Wandschränke von Kerlen da drin plötzlich prügeln.“
Natala, die skeptisch einen deplatziert wirkenden Krawattenständer begutachtet hatte, an dem bloß ein abgewetzter Hut hing, winkte glucksend ab: „Sei nicht so pessimistisch, Stan. Wir werden heute schon nicht in eine Schlägerei verwickelt werden.“
„Das behauptest du jedes Mal. Wie auch immer, zuerst müssen wir den Kunden finden – wird wohl der Barbesitzer sein, wer sonst in diesem Kaff am Ende der Galaxis bestellt Unmengen an zollfreiem Whisky?“
Ein zustimmendes Geräusch von sich gebend, drehte sich Natala zum Vorhang, da wurde dieser beiseitegeschoben und ein stämmiger Kerl mit Karohemd trat in den Eingangsbereich. Sehr zu ihrem Erstaunen hielt er eine Gießkanne, mit der er zu einer verhärmten Pflanze schlurfte und ihren Topf mit Wasser füllte.
„Hey“, lenkte ihn Natala von seiner Tätigkeit ab, „wir suchen den Boss hier.“
Schwerfällig wandte er sich um und musterte sie. „Ihr habt mich gefunden, Fremde. Das ist mein Pub.“ Eine Pranke entgegenstreckend stellte er sich vor: „Man nennt mich Pawlow.“
„Natala und Stan. Wir liefern deinen Whisky.“
Seine Miene hellte sich auf. „Na also, die Schmuggler. Ich rufe meine Leute, die helfen beim Tragen.“ Damit riss er den Vorgang auf und brüllte in den verrauchten Raum: „Ivan, Bartek!“ Die beiden kamen derart rasch angezottelt, dass Natala ein unangebrachter Witz über gut dressierte Hunde einfiel, den sie sich vorsichtshalber verkniff. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde machten sich die fünf auf den Weg zum Landeplatz, um die Fracht auszuladen.
Zufrieden seufzend wischte sich Natala den Schweiß von der Stirn und ließ sich im Eingangsreich der Bar auf einen Hocker fallen. Die Einladung, das Geschäftliche bei einem Drink zu regeln, hatte sie abgelehnt, in dem Krach drinnen verstand man nichts. Stattdessen hatte ihnen Pawlow die Kreditchips direkt beim Entladen übergeben und Natala hatte sie in der Jackentasche verstaut. „Sag mal, wo findet man in dem Ort eine neue Fracht? Holz scheint ihr ja massenhaft zu befördern“, erkundigte sie sich beim Barbesitzer.
„Sorry, da muss ich dir die Hoffnung nehmen“, erklärte Pawlow. „Für das Holz haben wir einen fixen Vertrag mit einem Großkonzern und seit dem Waldbrand letzten Herbst gibt es keinen Überschuss.“
„Okay.“ Natala versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Zwar war ihre Tour auch so profitabel, nur war halt jede Leerfahrt verschwenderisch. Sie setzte dazu an, etwas zu sagen, doch Pawlow, gefolgt von den beiden Handlangern, zog seinen Blaster und legte auf sie an. „Spielt für euch ohnehin keine Rolle“, spottete er. „Wir behalten nämlich jetzt das Geld und euer Schiff.“
„Dreckskerl“, zischte Stanley, während Natala langsam den Beutel mit den Kreditchips aus ihrer Tasche zog. Als Schmuggler musste man damit rechnen, früher oder später übers Ohr gehauen zu werden, zur Polizei gehen konnte man ja schlecht – nicht, dass es hier am Ende der Galaxis überhaupt Ordnungshüter gab, bestenfalls einen korrupten Sheriff.
Stanley verkrampfte sich, dies war nicht ihre erste brenzlige Situation und er wusste ebenso wie seine Kameradin, wie sehr sie auf ihr Sternenschiff angewiesen waren. Unter keinen Umständen gäben sie die Promise freiwillig her. Eine kleine Ewigkeit befreundet zu sein, brachte dem Duo den Vorteil, die Reaktion des anderen vorauszuahnen. Natala warf ihrem Kontrahenten den Beutel mit dem Geld zu und zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. In diesem Moment riss Stanley seine Waffe vom Gürtel und feuerte ohne zu zögern ein paar Salven auf die beiden Handlanger ab, ehe diese reagieren konnten. Beide brachen getroffen zusammen, einer lag stöhnend auf den Dielen, der andere rührte sich nicht. Pawlow fuhr herum, ließ den Beutel los und zog seine Waffe, doch Natala war schneller – sie packte ihr Kampfmesser, holte aus und rammte es ihm zwischen die Rippen. Sein Blaster entglitt ihm, er stürzte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden und hielt die blutende Wunde.
Stanley zielte weiterhin auf die Gegner, als Natala sich bückte, die Kreditchips aufhob und Pawlow kalt anschnauzte: „Wir könnten dich töten, aber mit deiner Verletzung hast du sowieso genug Probleme. Denk darüber nach, wenn du mal wieder jemanden übers Ohr hauen willst.“
Damit machte sie Kehrt und Stanley gab ihr Rückendeckung, bis sie das Lokal verlassen hatten. Mittlerweile war die Dunkelheit hereingebrochen und der eisige Wind noch kälter geworden.
„‚Wir werden heute schon nicht in eine Schlägerei verwickelt werden‘, hast du gesagt“, äffte Stanley sie nach und blies einige Atemwölkchen in die von wenigen organischen Glühlampen erhellte Nacht.
Natala schüttelte entschieden ihre Lockenmähne. „Das war eine Schießerei, ist was ganz anderes.“