Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
„Hey, willst du noch einen Zug?“, erkundigte sich Stefan, lehnte sich auf dem Rücksitz zurück und reichte Maria den Joint, was sie mit einem zustimmenden Geräusch zur Kenntnis nahm. Seit er seine Flamme vor zwei Jahren in der zehnten Klasse kennengelernt hatte, hatte sich sein Leben verändert – zumindest glaube er das. Die beiden waren ein tolles Team, selbst wenn sie nach außen hin kaum unterschiedlicher sein könnten – sie interessierte sich für Edelweiß, Pestwurz und Schlüsselblümchen, er für BMW, Mercedes und klassische Saurer-Lastwagen. Natürlich war ein BMW noch nicht in seinem Budget, aber das spielte keine Rolle. Immerhin hatte Stefan einen alten Militärjeep, in dem die beiden nun mit hochgeklapptem Verdeck die Höhenfeuer zum Nationalfeiertag beobachteten. Sie planten hier oben am Finsterhorn zu kampieren, um am folgenden Tag entweder wandern zu gehen oder sich auf den Rückweg zu machen. „Du“, begann Maria glucksend. „Glaubst du, die haben dieses Jahr auch ein Feuerwerk im Dorf unten? Sieht von hier oben sicher cool aus.“
„Ich denke schon, ich würde mich über eine Show freuen“, murmelte Stefan, während die andere ihn grinsend beäugte. „Was ist daran so lustig?“
„Ich habe an den Film ‚Independance Day‘ gedacht und mir vorgestellt, wie ein UFO überm Dorf schwebt, das Feuerwerk für einen Angriff hält und dann die Erde bombardiert.“
Stefan grölte ungehemmt los und hätte dabei beinahe den Joint auf den Boden fallenlassen. „Schatz, du solltest weniger kiffen. Weshalb sollten Aliens die Schweiz angreifen?“
„Keine Ahnung, vielleicht möchten sie Kühe explodieren sehen? Haben Angst vor Alphörnern? Sind wütend, dass sie ‚Chuchichäschtli‘ nicht aussprechen können? So ein Zungenbrecher kann zu Kriegen führen.“
„Du meine Güte, du bist heute wieder mal albern drauf.“
„Hör auf mich auszulachen!“, verteidigte sie sich halbherzig, nahm den letzten Zug und drückte den Stummel aus. „Sag mal, hat deine Karre einen Aschenbecher?“
„Nein, dafür einen Sackhalter.“ Stefan deutete auf einen kleinen Kehrichtsack, der an der Fensterkurbel hing. „Du siehst, ich bin voll fürs Campen ausgerüstet.“
„Schick, wie so ein Edelschlitten.“ Damit warf sie die kläglichen Überreste des Joints in den Sack und räkelte sich auf der Rückbank. „Da, ein erstes Höhenfeuer“, meinte sie in die Ferne zeigend, wo am gegenüberliegenden Gebirgszug in der Lücke zwischen zwei Hubbeln ein oranges Licht aufleuchtete. Stefan brummte zustimmend. „Hoffentlich gibt’s mehr davon.“
„Wir könnten ja auch eines anzünden. Wäre bestimmt hübsch.“
„Woher willst du das Holz nehmen? Da ist nur Geröll, abgesehen von ein paar dürren Büschen. Seit wann bist du überhaupt patriotisch?“
Sie kicherte. „Ja gut, den Jeep sollten wir wohl nicht abfackeln. Ausgerechnet du musst große Töne spucken, du weißt vermutlich nicht mal, wie alt die Schweiz wird, oder?“
„Erster August Zwölfeinundneunzig“, gab Stefan wie aus der Kanone geschossen zurück. „Versuch gar nicht erst, mich auf die Probe zu stellen, noch habe ich nicht alles aus der Schulzeit vergessen.“
„Ach, Spielverderber!“ Maria stupste ihn demotiviert mit dem Fuß an und starrte auf das entfernte Höhenfeuer. „Hm, wenn wir Liechtenstein einnähmen, gäbe es dann einen neuen Nationalfeiertag?“
„Wahrscheinlich nicht“, antwortete Stefan ernst. „Die haben schon den Schweizer Franken, also gehören die eh quasi dazu.“
„Wo du Recht hast. Und den Rest von Europa kann man sich ja schlecht unter den Nagel reißen.“
„Tja, bleiben wir halt neutral. Hauptsache, wir haben bengalische Zündhölzer, die machen bekifft garantiert Spaß.“
„Stimmt, holst du sie?“
„Was, die hast doch du mitgebracht?“
Kurz herrschte Stille, die schließlich von einem trockenen Kommentar Marias gebrochen wurde: „Ich will die Scheidung, ohne Wunderkerzen ist es nicht dasselbe.“
„Wir sind nicht mal verheiratet“, beschwerte sich Stefan feixend. „Immer dieser Stress!“
Sie keuchte erschrocken. „Pst, hast du das gehört?“
Ein lauter Knall dröhnte durchs Tal unter ihnen, als eine Rakete detonierte. „Ja, Böller“, gab Stefan trocken zurück und deutete auf die bunte Explosion.“
„Nein, der Busch hinter uns hat geraschelt“, meinte Maria „Irgendwas ist im Unterholz.“
Stefan schnaubte. „Bestimmt der Wind, du bist nur bekifft und paranoid. Halten wir lieber die Klappe und genießen die Aussicht.“
Der Geruch von abgebranntem Feuerwerk lag in der Luft, als das Paar friedlich in einem Zelt neben dem Jeep schlief. „Ich habe genug gesehen“, wisperte Admiral Ka’dos und krabbelte dazu mühsam aus einem ausgedorrten Busch, dessen Dornen seine graue Haut zerkratzten. „Wir reisen weiter.“ Adjutant Ki’der stieß seinen Kopf an einem Felsbrocken und unterdrückte einen Fluch, ehe er fragte: „Wieso, Sir? Das ist unsere vierte Erkundungsmission. Jedes Mal reisen wir Lichtjahre hierher, um die Erde einzunehmen, bloß um aufzugeben und umzukehren. Die Bewohner dieses Planeten haben bereits die Raumfahrt entdeckt, sie könnten für uns bald zur Bedrohung werden!“
„Ach was, Ki’der. Du hast vorhin ja ihre Waffentests mitbekommen. Viele Farben, viel Lärm, kaum Zerstörung. Außerdem sagten sie gerade selbst, sie seien neutral, diese Menschen nehmen niemanden ein. Teleportieren wir zurück zum Mutterschiff, um den nächsten Planeten auf Bedrohungen zu prüfen.“
„Na gut, Sir, wenn Sie meinen.“ Ki’der hatte es längst aufgegeben, mit seinem Vorgesetzten zu streiten. Seiner Überzeugung blieb er trotzdem treu und eines Tages, wenn die Menschen ihre Heimat mit Alphörnern, explodierenden Kühen und „Chuchichäschtli“ (was auch immer das für Superwaffen sein mochten) angriffen, hätte er die Gelegenheit, sich Ka’dos’ Posten zu schnappen.