Diese Geschichte spielt im erweiterten Universum der „Promise“-Reihe.
Atemlos stieß Elena das knarzende Tor zur Scheune zu und sah sich zu ihren Begleitern um. Luca und Elias, der eine alte Ölfunzel trug, hatten sich bereits darangemacht, zu prüfen, ob sie allein waren. Elena schob den Riegel vor und wandte sich zu ihren Freunden um. „Ist jemand da?“, wisperte sie, was Elias etwas lauter verneinte: „Nein, alles gut, vorerst sind wir in Sicherheit.“
Elena erlaubte sich, aufzuatmen, wenn es vermutlich auch nur von kurzer Dauer war. Weiterhin angespannt musterte sie ihre Begleiter, deren nach der Flucht zerrissenen Halloweenkostüme im Licht der abgestellten Laterne noch übler aussahen: Elias’ vermeintliche Zombie-Hautfetzen waren größtenteils abgefallen und nun war das alte Gepäcknetz zu sehen, auf dem er sie angebracht hatte. Lucas mit Kunstblut aufgemalte Biss- und Kratzspuren sahen derweil bestenfalls noch wie schlecht angerührte Tütentomatensuppe aus, ihre zerfetzen Kleider boten ebenso keinen Schutz. Als Elena an sich heruntersah und ihr der Minirock, die zerrissenen Netzstrümpfe und das Trägertop auffielen, begriff sie, dass es für sie keineswegs besser stand. Rasch prüfte sie das Com, das sie in ihrer Handtasche mittrug: Kein Signal. Vermutlich war das Netzwerk des ganzen Planeten offline.
Vorsichtig linste sie durch eine Spalte in der Außenwand, konnte jedoch nur die Umrisse der alten Linde gegen das orange flackernde Glimmen ausmachen, das den Himmel von da erleuchtete, wo bis heute Nacht ihr Dorf gewesen war. Ab und an hüllte Wetterleuchten die Landschaft in ein kaltes, grelles Weiß und sie sah, wie die Blätter des Baumes im aufkommenden Sturm wippten. Lucas Stimme riss sie aus ihrer gebannten Betrachtung, als er wissen wollte: „Und, ist was draußen?“
„Nein“, berichtete sie tonlos, „wir scheinen vorerst in Sicherheit zu sein.“ Wehmütig ergänzte sie: „Ich glaube, von unserem Zuhause ist nicht mehr viel übrig.“
Mit einem lustlosen Schnauben meinte Luca: „Das ist der Witz des Jahrhunderts! Da verkleiden wir uns als Zombies für die Halloween-Party und dann tauchen echte Zombies auf. Wie konnte es nur so weit kommen?“ Er kickte gegen den abgefallenen Bremsblock einer alten Landmaschine, die zwischen Heuballen geparkt war. Das Ding segelte durch die Scheune und landete zum Glück leise im Stroh.
„Pst“, zischte Elias. „Kick doch nicht alles rum, am Ende wirfst du noch die Laterne um oder der Lärm lockt die Untoten an.“
„Sorry, ist ja gut.“
Elena wusste, ihre besten Freunde hatten gerade wie sie gesehen, wie ihre Freunde und Familienmitglieder von einer Horde Untoter überrannt worden waren, trotzdem und trotz der eigenen Panik, die sie nur schwer unterdrücken konnte, musste sie Elias recht geben: Nun war es notwendig, klug zu handeln, wenn sie überleben wollten. „Leute, wir wissen nicht, ob überhaupt jemand überlebt hat. Bis auf das Dorf und Konrads Farm auf der anderen Seite ist in unserem Tal meilenweit nichts, keine Straßen, keine Siedlungen. Wir brauchen einen Plan.“
„Der Wanderweg zu den Bergen im Westen“, schlug Elias vor. „Die nächste Stadt ist New Shenzen, etwa hundert Kilometer Luftlinie. Wir brechen im Morgengrauen auf und versuchen, so weit wie möglich zu kommen und unterwegs etwas zu essen zu finden. Spätestens im nächsten Tal wird es wieder eine Farm haben, oder?“
„Oder mehr Zombies“, gab Luca skeptisch zurück. „Städte könnten zuerst überrannt worden sein. Wenn wir in Richtung Dorf zurückkehren, finden wir vielleicht noch einen Flitzer, der nicht in Flammen steht.“
„Langsam glaube ich, wir brauchen kein Flitzer, sondern ein Sternenschiff, um von dieser Welt wegzukommen.“ Elena bemerkte, wie sie New Hukou, der Planet, der ein Leben lang ihre Heimat gewesen war, und den sie noch nie verlassen hatte, nicht einmal mehr beim Namen genannt hatte und schluckte. „Hier wird es nirgendwo mehr etwas geben, das sicher ist.“
„Jetzt sei nicht gleich so pessimistisch“, kritisierte Luca sie und winkte ab. Wir leben im hintersten, unbedeutendsten Tal auf diesem Planeten und alle Städte könnten absolut sicher sein und wir wissen es einfach nicht. Jetzt, wo das ComNet zusammengebrochen ist, werden wir es erst erfahren, wenn wir dahin reisen und …“ Er verstummte, als von draußen ein Röcheln ertönte, gefolgt von einem Kratzen am Tor. „Oh, Shit.“
Die drei sahen einander im flackernden Licht fragend an und Elena entschied sich, als Erste das Offensichtliche zu sagen: „Das Ding steht vor unserem einzigen Ausgang.“
„Wir können ihn nicht einfach so umbringen, wir haben keine Waffen“, wandte Luca ein.
„Und wir wissen nicht, wie man die Zombies am besten erledigt, andererseits könnte der mehr anlock…“ Elena hielt inne, als sie das Rauschen eines Flitzers vernahm. Das Geräusch kam rasch näher und die grellen Lichtstrahlen von Scheinwerfern zeichneten durch die Spalten zwischen den Dielen wandernde Muster auf den Boden. Hoffnungsvoll, wenn auch skeptisch sahen sich die drei Freunde an. Waren sie gerettet oder würde gleich das Militär auftauchen und die ganze Scheune sprengen? Ehe jemand etwas sagen konnte, erklang das charakteristische Geräusch einer vollautomatischen Blasterkanone, das sie alle zur Genüge aus Action-Holofilmen kannten. Einige Lichtprojektile durchschlugen die Scheunenwand, eines traf dabei die Laterne, brachte sie zum Splittern und setzte so einen Heuballen in Brand. Während von draußen eine barsche Stimme „Sauber“ blaffte, breitete sich bei ihnen drinnen das Feuer rasch aus. Mit aufkeimender Panik rannte Elena zum Tor und versuchte, es aufzureißen. Der fremde Mann brüllte „Waffen anlegen!“ und Luca entgegnete ebenso laut: „Nicht schießen, wir sind Menschen! Wir sind zu dritt, wir kommen raus.“
Als Elena als erste aus der Scheune trat, in der die Flammen nunmehr bereits den Wänden entlang hochleckten und die Hände hob, trat sie mit dem Absatz ihrer für diesen Anlass unpässlichen High Heels auf eine Ohrmuschel, die wohl vor kurzem noch zum Zombie gehört hatte. Sie sah sich drei muskulösen Männern in Tarnanzügen gegenüber, zwei standen mit den Waffen im Anschlag bereit, der Dritte lehnte an der auf dem Flitzer montierten Blasterkanone. Zum ersten Mal diese Nacht verspürte sie echte Erleichterung. „Ihr seid vom Militär?“
„Nein, sicher nicht“, lachte der Mann in der Uniform mit den meisten Abzeichen, den sie daher für den Anführer hielt. „Das sind unsere Halloweenkostüme, wir haben nur per Zufall einen Flitzer des Militärs gefunden, der schon überrannt worden war.“ Er gestikulierte zum Fahrzeug, auf dem einige Kürbislaternen aufgestellt waren und lachte: „Ihr seht ja wie Zombies aus, unsere Kostüme sind besser für diese Nacht geeignet als eure. Ihr könnt von Glück reden, haben wir euch nicht verwechselt und erschossen.“
Mittlerweile waren auch Luca und Elias herangekommen und musterten skeptisch die blutige Bescherung auf dem Boden und die Hinzugekommenen. Der vermeintliche Offizier deutete derweil mit dem Daumen auf den offenen Flitzer und fragte: „Wollt ihr mitkommen? Wir haben noch Platz, einen Kasten Bier und bislang wurde niemand von uns gebissen. Das ist mehr als man in dieser Nacht der Toten erwarten kann.“
Luca zuckte resigniert mit den Schultern und krabbelte auf Gefährt, dicht gefolgt von Elias. Elena machte sich als letzte daran und zog sich an der dargebotenen Hand des Kanoniers hoch, der aufmunternd meinte: „Hey, vielleicht sind jetzt alle auf diesem Planeten wandelnde Tote, aber wir werden schon noch irgendwo ein Sternenschiff finden. Und ein paar Genies, die sich zu Halloween als Sterneschiff-Captains verkleidet haben, mehr braucht man heutzutage anscheinend nicht mehr.“